Rehabilitation (Stuttg) 2007; 46(6): 321-322
DOI: 10.1055/s-2007-993133
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zuweisungssteuerung und Versorgungsmanagement

Patient Assignment and Service Provision Management
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Publication Date:
11 January 2008 (online)

Das Gesundheitswesen ist durch eine hoch differenzierte Struktur mit vielen Angeboten, aber auch Schnittstellen gekennzeichnet. Versorgungsmanagement wird deshalb zunehmend als ein Ansatz verstanden, eine bedarfsgerechte Versorgung nicht nur sicherzustellen, sondern zu optimieren. Auch das gegliederte System der Rehabilitation als Teil des Gesundheitswesens ist durch eine Reihe von internen und externen Schnittstellen zwischen den beteiligten Akteuren und Versorgungsbereichen gekennzeichnet. Während sich interne Schnittstellen vor allem auf Ab-läufe innerhalb von Einrichtungen sowie auf die Zusammenarbeit des Personals (Team) beziehen, betreffen externe Schnittstellen insbesondere das Verhältnis zwischen Leistungsträgern (Kostenträgern) und Leistungserbringern sowie zwischen unterschiedlichen Einrichtungen und Berufsgruppen mit ihren jeweiligen (phasenspezifischen) Spezialisierungen und Besonderheiten. Die Bewältigung von Schnittstellen ist trotz vieler positiver Ansätze eine Daueraufgabe.

In der Vergangenheit wurden immer wieder Anstrengungen unternommen, um Schnittstellen zu verringern, um dadurch Beeinträchtigungen durch Strukturen und Abläufe zu vermeiden oder um Behandlungsprozesse zu verbessern. Solche Anstrengungen können auf ganz unterschiedlichen Ebenen erfolgen und Maßnahmen rechtlicher, organisatorischer, personeller oder konzeptioneller Art umfassen. So gehören dazu beispielsweise gesetzliche Regelungen des Sozialgesetzbuches IX (z. B. zur Koordinierung und Zusammenarbeit der Rehabilitationsträger einschließlich der Gemeinsamen Empfehlungen) oder zur integrierten Versorgung ebenso wie organisatorische Schritte der Umsetzung, Anwendung rechtlicher Vorgaben oder Gestaltung von Abläufen, Verfahren und Prozessen. Dazu können etwa der Ausbau von Servicestellen oder die Arbeit von Sozialdiensten in Akutkliniken und Rehabilitationseinrichtungen gehören. Konkrete Maßnahmen hängen dabei häufig eng mit den zugrunde liegenden konzeptionellen Ansätzen zusammen, wie der Entwicklung von Behandlungspfaden in der integrierten Versorgung oder einer ganzheitlichen Betrachtungsweise in der Rehabilitation und ihre Umsetzung durch eine teamorientierte Kooperation. Auch die Einführung des persönlichen Budgets stellt ein Beitrag zur Verringerung von Schnittstellen dar.

Einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Schnittstellenmanagement leisten auch die verschiedenen Verfahren der Einleitung von Maßnahmen und der Zuweisungssteuerung, u. a. zwischen Akutkrankenhaus und Rehabilitationseinrichtung. Als nahezu klassisches Konzept kann das Verfahren der Anschlussheilbehandlung - insbesondere das sog. Direktverfahren - gesehen werden, das vor ziemlich genau 30 Jahren von den Rentenversicherungsträgern (in Zusammenarbeit mit den Krankenkassen) entwickelt wurde und mittlerweile auch unter dem Begriff „Anschlussrehabilitation” in die Gesetzgebung (Sozialgesetzbuch V) aufgenommen wurde. Im Kern ist die Aufgabe der Zuweisungssteuerung eine Aufgabe der Rehabilitationsträger, die auf der Grundlage sozialmedizinischer Empfehlungen unter Berücksichtigung von Indikations- und weiteren Kriterien (wie Therapieangebote, Auslastung von Einrichtungen, Wartezeiten, Kostenabwägungen oder Vorstellungen der Rehabilitanden) und in Zusammenarbeit mit Rehabilitationseinrichtungen (z. B. im Rahmen von Belegungsverträgen) zur Anwendung gelangt. Dabei stehen neben einer bedarfsgerechten und zielorientierten Versorgung vor allem auch eine zeitgerechte Einleitung und Zuweisung in die richtige Einrichtung im Vordergrund.

Während die Zuweisungssteuerung vor allem dazu dient, ohne Verzögerung fachlich qualifizierte, dem jeweiligen Gesundheitsproblem angemessene Angebote auszuwählen und somit den „richtigen Patienten in die richtige Einrichtung” zu vermitteln, differenziert sich ihre Funktion mittlerweile weiter aus. Dies zeigt der Beitrag von S. Schwarz et al. [1] in dieser Ausgabe. So hat etwa die orthopädische Rehabilitation in den letzten Jahren versucht, die Behandlung chronischer Rückenleiden durch erweiterte konzeptionelle Ansätze und durch Ergänzung verhaltensmedizinischer bzw. auch psychosomatischer Komponenten zu optimieren [2]. Die Konsequenz ist eine Ausdifferenzierung von Behandlungsangeboten innerhalb einer Einrichtung in weitere Behandlungsgruppen für Hauptindikationen. Damit tritt die Frage auf, ob eine Zuweisung zu den Behandlungsgruppen einer Einrichtung schon vorab (durch den Rehabilitationsträger bzw. seinen Beratungsärztlichen Dienst) sinnvoll ist oder dies intern in der Einrichtung erfolgen sollte. Die genannte Untersuchung ist dieser Frage nachgegangen und zu interessanten, wenn auch noch offenen Ergebnissen gekommen.

Unterschieden wurde bei Patienten mit Rückenleiden zwischen der klassisch orthopädischen Rehabilitation und einem speziellen verhaltenmedizinisch ausgerichteten Angebot für Rückenpatienten mit psychischen Belastungen. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen nur eine geringe Überstimmung zwischen den Behandlungsempfehlungen durch Beratungsärzte der Deutschen Rentenversicherung Bund einerseits und den Einschätzungen der Ärzte und Psychologen in der Klinik. Zudem hat die Vorabzuweisung zu den klinikinternen Behandlungsgruppen durch den Beratungsärztlichen Dienst keine entscheidenden Verbesserungen bezüglich des Behandlungserfolges gebracht. Genauere, differenziertere Indikationskriterien für die Zuweisung dieser Patienten zu internen Behandlungsgruppen einer Klinik stehen somit noch aus. Die Autoren diskutieren eingehend die Konsequenzen für weitere Schritte und schlagen weitere, gezielte Untersuchungen vor. Damit wird u. a. auch die Entwicklungsfunktion von Forschung auf diesem Teilgebiet unterstrichen.

In dieser Ausgabe werden weitere konzeptionell orientierte Studien vorgestellt, die zum Teil auch das Versorgungsmanagement berühren vgl. besonders den Beitrag zum Lymphöden bei Mammatumoren, Hinweisen möchten wir ferner auf eine Umfrage zum Forschungsbedarf, die die Deutsche Vereinigung für Rehabilitation mittels einer Befragung von Behindertenverbänden durchgeführt hat. Wie bereits angekündigt, wird darin eine wichtige Ergänzung der Expertise der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften zum künftigen Forschungsbedarf [3] gesehen.

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Literatur

  • 1 Schwarz S, Mangels M, Sohr G, Holme M, Worringen U, Rief W. Welche klinische Bedeutung hat die Vorabzuweisung von Patienten zur orthopädischen bzw. verhaltensmedizinisch-orthopädischen Rehabilitation durch die Rentenversicherungsträger?.  Rehabilitation. 2007;  46 323-332
  • 2 Dibbelt S, Greitemann B, Büschel C. Nachhaltigkeit orthopädischer Rehabilitation bei chronischen Rückschmerzen - Das Integrierte orthopädisch-psychosomatische Behandlungskonzept (IopKo).  Rehabilitation. 2006;  45 324-335
  • 3 Koch U, Lehmann C, Morfeld M. Bestandsaufnahme und Zukunft der Rehabilitationsforschung in Deutschland.  Rehabilitation. 2007;  46 127-144