Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2007; 17 - A31
DOI: 10.1055/s-2007-992683

Rehabilitation bei Patienten mit Glioblastom

M Schlesinger 1, V Fialka-Moser 1, C Marosi 1, R Crevenna 1
  • 1Univ. Klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation, Univ. Klinik für Innere Medizin I, Onkologie, Medizinische Universität Wien

Frage: Das Glioblastom zählt laut WHO zu den Astrozytomen Grad IV und tritt am häufigsten bei älteren Erwachsenen auf. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Erste Symptome sind meist Kopfschmerzen, die sich bei Lageänderungen wie beim Bücken (Bewegungen, die intrakranielle Druckschwankungen bewirken) verstärken. Fokale neurologische Ausfälle wie Paresen, Aphasien, Sehstörungen, etc. kommen meist bald hinzu. Ebenso sollten erstmals auftretende epileptische Anfälle stets an einen Hirntumor denken lassen. Die Glioblastom-Erkrankung verläuft meist rasch mit infauster Prognose. Die therapeutischen Möglichkeiten beschränken sich auf operative, strahlen- und chemotherapeutische Ansätze zur Lebensverlängerung. Um den erhöhten Hirndruck zu senken, erhalten die Patienten Corticosteroide (mit den Konsequenzen der Steroidmyopathie und -osteoporose). Die vorliegende Präsentation hat zum Ziel Probleme und Defizite bei Patienten mit Glioblastomen aufzuzeigen und auf rehabilitative Möglichkeiten einzugehen.

Methode: Durch Gespräche (und Einsatz eines strukturierten Fragebogens) mit betroffenen Patienten und deren Angehörigen wurde versucht, die wesentlichsten Probleme und Defizite bei Patienten mit Glioblastomen zu erfassen. Dabei wurden sechs Patienten (n=6, m:f=5:1, 60±12 range 46–80 Jahre) mit ihren Angehörigen befragt.

Ergebnis: Die Angaben der befragten Patienten bzw. der Angehörigen ergaben weitgehend gleiche Probleme und Defizite. Patienten mit Glioblastom weisen durch die Symptome der Grunderkrankung sowie durch jene der lebensverlängernden Therapien enorme Defizite in ihrem körperlichen Zustandbild sowie ihrer Lebensqualität auf. Vorherrschend waren eine allgemeine Schwäche und eine ausgeprägte Schwäche der Skelettmuskulatur (und hier vor allem der Gesäß- und Kniestreckmuskulatur). Weiters zeigten sich diverse neuropsychologische Defizite (Aufmerksamkeitsdefizie, Aphasie, Akalkulie, Alexie, etc.), sowie Ernährungsstörungen und psychische Probleme und Einschränkungen im zwischenmenschlichen Bereich (z.B. Sexualleben). In jedem Fall ist durch diese gravierende Erkrankung auch das persönliche Umfeld der Patienten mitbetroffen.

Diskussion: Folgende rehabilitativen Ansätze stehen aus physikalisch-medizinischer Sicht zur Verfügung: Heilgymnastik/Physiotherapie zum aktiven Muskelaufbau, zur Gangschulung und Sturzprophylaxe (Steroidmyopathie und Steroidosteoporose durch die erforderliche Corticoidgabe!), passiver Muskelaufbau durch Einsatz der neuromuskulären Elektrostimulation (NMES). Bei Bedarf medikamentöse antidepressive, analgetische und Osteoporosetherapie. Logopädie bei Patienten mit Sprach- und/oder Schluckstörungen. Inkontinenzbehandlung und Hilfsmittelversorgung bei Harn und/oder Stuhlinkontinenz (weiters Versuche mit Biofeedback oder Beckenbodentraining). Ergotherapeutische und neuropsychologische Ansätze bei neuropsychologischen Defiziten, sowie bei Einschränkungen der Geschicklichkeit, etc.. Psychologische Unterstützung und Führung von Patienten und Angehörigen. Die genannten therapeutischen Optionen sollten in der (palliativen) Rehabilitation von Patienten (aufgrund der meist raschen Progredienz der Erkrankung) möglichst früh eingesetzt und den individuellen Bedürfnissen von Patienten und Angehörigen angepasst werden.