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DOI: 10.1055/s-2007-991542
© Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG
Entwicklungen in der Geburtshilfe
Publication History
Publication Date:
08 October 2007 (online)
Liebe Leserinnen,
als ich vor ca. 30 Jahren mit meiner Hebammenausbildung begann und im Rahmen der ersten Kreißsaaleinsätze bei Geburten dabei war, musste ich mit ansehen, wie die gebärenden Frauen unter größter Kraftanstrengung mit hochrotem Kopf, umringt von 10-15 Personen (alle wollten etwas lernen) ihr Kind in die Welt pressten. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nichts über Geburtsmechanik und Privacy, doch hatte ich das unbestimmte Gefühl: das kann so nicht wirklich richtig sein.
Inzwischen blicken wir auf drei Jahrzehnte des Wandels, der Aufklärung und Forschung zum Thema Wahl des Geburtsortes und aktive und aufrechte Gebärhaltungen zurück.
1987 hatte ich selbst die Möglichkeit, an einer Geburtsklinik zu arbeiten, die seinerzeit einen großen Zulauf hatte. Als erste Klinik im norddeutschen Raum wurde damals versucht, Geburtsbedingungen aus der Hausgeburtshilfe in der Klinik umzusetzen. Es gab breite Betten, gedämpftes Licht, warme Farben. Es wurde sehr viel Wert auf Bewegungsfreiheit gelegt, der Pezzi-Ball und die Sprossenwand gehörten zum festen Inventar. Aktive Gebärhaltungen waren für uns Normalität. Nach der Geburt sollten Mutter, Vater und Kind ihre Ruhe haben, um sich ineinander zu verlieben. Und doch konnten wir im Klinikalltag (ca. 1000 Geburten) den Ansprüchen der Frauen oft nicht genügen: Personalmangel, hoher Arbeitsanfall und Quengeleien in der Kommunikation zwischen Hebammen und Ärzten erschwerten die Arbeitsabläufe.
Es gab zu diesem Zeitpunkt eine erste sehr engagierte Gruppe von erfahrenen Hebammen, die sich zu einem Praxisteam mit Hausgeburtshilfe zusammentaten. Sie versuchten in einer konsequenten Eins-zu-Eins-Betreuung den Wünschen und Erwartungen der Frauen zu entsprechen. Trotzdem mussten sie ab und zu mit Frauen in den Kreißsaal kommen, wenn die Geburt zu Hause nicht beendet werden konnte. Wir haben uns gefreut, wenn wir uns im Kreißsaal begegneten. Wir nutzten die Chance, uns gegenseitig zu unterstützen und unsere Geburtsverläufe zu reflektieren. Aber es war auch zu beobachten, dass manche Betreuungsverläufe zu Hause sehr anstrengend für die Kollegin waren. - Was also war das ideale Betreuungsmodell?
Aus heutiger Sicht würde ich sagen, die Hausgeburtshilfe hat die Klinikgeburtshilfe befruchtet! - Aber welches Kind ist daraus entstanden?
Inzwischen sind in der gesamten Region die Kreißsäle modernisiert, bieten verschiedene Möglichkeiten zur aktiven Geburtsarbeit an und wirken einladend durch die wohnliche Gestaltung der Räume. Und trotzdem ist die Sectiorate in die Höhe geschnellt, die PDA ist auch bei komplikationslosen Geburten nicht mehr wegzudenken. Galt vor 20 Jahren noch die Devise: ET plus 14, erst dann machen wir einen Einleitungsversuch, so ist diese Praxis heute längst verlassen. Und glaubt man den Dokusoaps, die täglich zum Thema „Kinderkriegen” im Fernsehen gezeigt werden, scheint die Geburt aus Rückenlage immer noch eine weit verbreitete Gebärhaltung zu sein.