Zeitschrift für Palliativmedizin 2007; 8(3): 94-96
DOI: 10.1055/s-2007-990736
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Tumorschmerztherapie

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Publication Date:
24 September 2007 (online)

 

Ostgathe C et al. Z Palliativmed 2007; 8: 13-30

Herzlichen Dank für den schönen und aktuellen Übersichtsartikel zur Schmerztherapie in der Palliativmedizin. Jede Anmerkung hätte sich erübrigt, wäre er mit "Medikamentöse Schmerztherapie in der Palliativmedizin" überschrieben gewesen. So aber gestatte ich mir ein paar Ergänzungen.

Im Hinblick auf die multimodale (ganzheitliche) Betrachtungsweise und auch Therapie von Schmerzen in der Palliativmedizin wie auch der multiprofessionellen und interdisziplinären Zusammenarbeit hätte ich mir einen Verweis gewünscht auf pflegerische Maßnahmen, Lagerung, Physiotherapie, Lymphdrainagen, psychologische Methoden (PMR, klinische Hypnose), Musiktherapie, aber auch die Strahlentherapie (Schmerzbestrahlung), auf die ich im Folgenden als Strahlentherapeut, der eine Palliativstation aufgebaut hat, näher eingehen möchte:

Die Strahlentherapie als analgetische Maßnahme könnte sich wohl in dem Satz "Falls möglich, sollten kausale Behandlungen eingeleitet werden", wiederfinden. Daneben kann die Strahlentherapie aber auch eine rein symptomatische Behandlung darstellen.

Kausal-analgetisch ist die Strahlentherapie, wenn sie zur lokalen Dekompression eingesetzt wird. Die meisten der tumorbedingten Schmerzen lassen sich durch lokale Kompression erklären:

Skelettmetastasen mit Periostdehnung Infiltration/Kompression von peripheren Nerven, Plexus, Rückenmark, ZNS Infiltration/Kompression von sonstigen Organen (viszeral, Muskulatur, Haut) Obstruktion von Hohlorganen (Stau, Kolik) Kapselspannung (Leber, Periost, Gehirn) Kompression von Blutgefäßen (Ischämie/Thrombose)

Die Strahlentherapie kann sich in der Palliativmedizin auf den "Ort der Not" - die schmerzende Metastase oder Tumormanifestation - beschränken und wirkt durch lokale Tumordekompression dort auch in geringeren Dosen schmerzlindernd ohne systemische Nebenwirkungen, und die Verträglichkeit ist oft erheblich besser als die systemische Applikation von Analgetika (oder auch von Zytostatika). Bei praktisch allen oben genannten Schmerzursachen ist die lokale Strahlentherapie effektiv, nebenwirkungsarm und nicht invasiv, und oft genügen wenige Fraktionen. Behandlungsziel kann damit eine reine Symptomkontrolle sein und nicht die Lebensverlängerung oder Remissionsinduktion.

Neben der Dekompression wirkt auch die Rekalzifizierung und Restabilisierung bei Skelettmetastasen analgetisch. Die Ansprechraten bei den oben genannten Bestrahlungen liegen zwischen 80 und 90%, der Wirkungseintritt bei 2-8 Tagen (1). Aber die Strahlentherapie kann - besonders im Setting der Palliativmedizin - auch rein analgetisch ohne Tumorschrumpfung appliziert werden. Dazu ein paar Beispiele:

Bei der Strahlentherapie osteoplastischer Skelettmetastasen ist das alleinige Ziel die Analgesie, die mit wenigen (z.B. 1-4 Fraktionen) erreichbar ist. Die Prävalenz tumorassoziierter und tumorunabhängiger Schmerzen ist mit jeweils bis zu 20% als relativ häufig einzustufen. Viele dieser Schmerzen können durch eine Niedrigdosisbestrahlung nebenwirkungsfrei (!) und oft hoch effektiv behandelt werden. Als Einschränkung gilt hier ein gelegentlich verzögerter Wirkungseintritt. Das theoretische Risiko der Tumorinduktion ist im palliativen Setting absolut irrelevant (noch irrelevanter als die Opiodabhängigkeit). Das Wirkprinzip ist direkt analgetisch, antiinflammatorisch, antiödematös und sekretionshemmend (Wirkung auf zahlreiche Zytokine, pH, Leukozyten). So lassen sich z.B. Zosterneuralgien, Arthritiden und Arthrosen, Fibroostosen (Schulter, Ellenbogen, Fersensporn), Parotitis, Abszess-Schmerzen etc. nebenwirkungsfrei behandeln.

Sofern eine Strahlenklinik räumlich nah ist, sollten diese strahlentherapeutischen Möglichkeiten gerade in der Palliativmedizin genutzt werden. In den Jahren 2004-2006 erhielten auf unserer Palliativstation 26,6-29,2% der Patienten eine oder mehrere palliativmedizinische Bestrahlungen.

Literatur beim Autor

Dr. Wolfgang G. Schulze, Bayreuth

Facharzt für Strahlentherapie/Palliativmedizin und Radiologie

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