Geburtshilfe Frauenheilkd 2008; 68(2): 172-177
DOI: 10.1055/s-2007-989481
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Beratung zu Pränataldiagnostik - Einstellungen und Haltungen von ärztlichen und psychosozialen Fachkräften

Ergebnisse aus dem Modellprojekt „Interprofessionelle Qualitätszirkel in der Pränataldiagnostik“[*] Counselling in Prenatal Diagnostics - Attitudes of Medical and Psychosocial SpecialistsResults from the Model Project “Interprofessional Quality Circles in Prenatal Diagnostics”R. Kuhn1 , A. Bruder1 , M. Cierpka1 , A. Riehl-Emde1
  • 1Institut für Psychosomatische Kooperationsforschung und Familientherapie, Zentrum für Psychosoziale Medizin, Universitätsklinikum Heidelberg
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eingereicht 24.10.2007

akzeptiert 4.12.2007

Publication Date:
26 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund und Fragestellung: In ärztlichen und psychosozialen Fachkreisen werden unterschiedliche Meinungen zum Thema Pränataldiagnostik (PND) geäußert, insbesondere in Bezug auf die Frage der Indikation und Beratung zu PND. Hinzu kommen die Forderungen verschiedener Fachgesellschaften und politischer Entscheidungsträger nach einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen ärztlichen und psychosozialen Fachkräften, die bisher jedoch selten erfolgt. Es gibt nur wenige Standorte in Deutschland, in denen eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Berufsgruppen gefördert wird. Auch gibt es kaum Untersuchungen darüber, inwieweit sich die Einstellungen der Berufsgruppen tatsächlich unterscheiden. Material und Methodik: Im Rahmen eines Modellprojekts wurde die Zusammenarbeit zwischen Fachkräften aus der medizinischen und psychosozialen Beratung zu PND mittels „Interprofessioneller Qualitätszirkel“ gefördert. Projektstandorte waren Augsburg, Erfurt, Heidelberg, Freiburg, Mannheim und Schwerin. 62 Personen nahmen kontinuierlich über eineinhalb Jahre an der Qualitätszirkelarbeit und an der Prä-Post-Befragung zur Untersuchung von Einstellungsunterschieden teil. Ergebnisse: Beide Berufsgruppen verfügen über spezifische Qualifikationen für die Beratung und haben unterschiedliche Ansichten über wichtige Beratungsinhalte vor, während und nach PND. Sowohl vor als auch nach Ablauf des Modellprojekts zeigten sich Einstellungsunterschiede zur Indikationsfrage von PND: Zwischen Ärzteschaft und Beraterinnen vor allem zur Frage der Altersindikation, zwischen Ärztinnen und Ärzten in Bezug auf die Gewichtung medizinischer Vorbefunde. Fazit: Trotz unterschiedlicher Einstellungen und zum Teil recht kontroverser Diskussionen wurde die Qualitätszirkelarbeit als kooperationsförderlich und nützlich für die alltägliche Beratungsarbeit erlebt. Demnach sind unterschiedliche Positionen zu PND kein Hemmnis, sondern eher konstitutiv für eine Zusammenarbeit. Interprofessionelle Qualitätszirkel bieten einen guten Rahmen zur Förderung der Zusammenarbeit.

Abstract

Background: Medical and psychosocial experts have different attitudes to prenatal diagnostics (PND), most of all with respect to the question of indications and counselling. However, various professional associations and political decision-makers are demanding a greater degree of cooperation between medical and psychosocial specialists. Up to now, however, such a cooperation barely exists. There are only a few places in Germany where cooperation between the two professional groups is actively promoted. No quantitative data is available on the real extent of the difference in attitudes between the two professional groups. Material and Methods: Within the framework of a model project, a cooperation between medical and psychosocial counselling specialists with regard to prenatal diagnostics was promoted by means of “interprofessional quality circles”. Projects were carried out in the German cities of Augsburg, Erfurt, Heidelberg, Freiburg, Mannheim and Schwerin. A total of 62 persons continuously attended these quality circles over a period of 18 months and took part in the pre/post questioning into the differences in attitudes. Results: Despite different attitudes and sometimes quite controversial discussions, work in the quality circles was felt to be conducive to cooperation and useful for everyday counselling. It was found that different attitudes to PND were not an impediment but constitutive with respect to cooperation. Interprofessional quality circles obviously represent an adequate platform to promote cooperation.

1 Kooperationsprojekt zwischen den Universitäten Heidelberg (Projektleitung: PD Dr. A. Riehl-Emde, Prof. Dr. M. Cierpka) und Göttingen (Projektleitung: Dr. O. Bahrs), in den Jahren 2003 - 2007 gefördert durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

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1 Kooperationsprojekt zwischen den Universitäten Heidelberg (Projektleitung: PD Dr. A. Riehl-Emde, Prof. Dr. M. Cierpka) und Göttingen (Projektleitung: Dr. O. Bahrs), in den Jahren 2003 - 2007 gefördert durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

2 Der Beziehungsstil wird als zeitstabile Haltung angesehen [[17]]

Dipl.-Psych. Rita Kuhn

Institut für Psychosomatische Kooperationsforschung und Familientherapie
Zentrum für Psychosoziale Medizin Universitätsklinikum Heidelberg

Bergheimer Straße 54

69115 Heidelberg

Email: rita_kuhn@med.uni-heidelberg.de