Aktuelle Dermatologie 2007; 33 - A19
DOI: 10.1055/s-2007-988818

Osteoporose – Arthrose – Vitamin-D-Stoffwechsel

H Schmidt-Gayk 1
  • 1Ärztlicher Leiter Labor Leinbach, Heidelberg

1. Marker des Knochen- und Knorpelabbaus:

Knochen- und Knorpelabbau sind erkennbar z.B. an erhöhten Spiegeln von Pyridinolinen (Pyridinolin=PYD=Marker für Knochen- und Knorpelabbau, Desoxypyridinolin=DPD=Marker für Knochenabbau) im Urin (ein Röhrchen vom 1. Morgenurin verwenden) und an erhöhten Spiegeln von CTX β-CrossLaps=Knochenabbaumarker, ein EDTA-Röhrchen, Blutentnahme morgens nüchtern vor 08:30 Uhr erforderlich).

Bei postmenopausal gesteigertem Knochenabbau steigt CTX an und PYD und DPD steigen beide an im Verhältnis um 4:1 (3:1 bis 5:1), bei Arthrosen (Knorpelabbau) steigt besonders PYD an und der Quotient PYD/DPD steigt auf Werte über 5:1. (Hinweis: Die Messung der Gesamt-Pyridinoline ist aussagefähiger als die Messung der freien Pyridinoline).

2. Kritische Höhe des Östradiol (E2)-Spiegels jetzt sicher erfassbar:

E2 wirkt hemmend auf die osteoklastäre Knochenresorption. Es bestand kein erhöhtes Risiko für zukünftige Frakturen bei postmenopausalen Frauen mit E2-Werten über 19ng/l, ein 1,1-fach erhöhtes Risiko bei Konzentrationen zwischen 15 und 19ng/l, ein 1,4-fach erhöhtes Risiko zwischen 11 und 14ng/l, und ein 2,3-fach erhöhtes Risiko bei E2-Werten unter 11ng/l.

E2-Spiegel unter 20ng/l, wie sie in der Postmenopause oft beobachtet werden, waren bis vor kurzem nur mit speziellen Radioimmunoassays messbar. Neuerdings kann routinemäßig mit einem Analysator (E170, Roche Diagnostics, Mannheim) ein postmenopausal tiefer E2-Spiegel im Serum bis herunter zu 5ng/l zuverlässig (mit Variationskoeffizienten unter 10%) gemessen werden. Wir fanden bei postmenopausalen Frauen mit E2-Spiegeln unter 20ng/l und deutlicher unter 15ng/l zum Teil hohe Knochenabbauraten. Häufig werden E2-Spiegel unter 20ng/l auch bei postmenopausalen Frauen mit rheumatoider Arthritis gefunden.

Eine orale Hormonsubstitution kann das Thrombose- und Brustkrebsrisiko erhöhen. Eine Hormonsubstitution ist heute jedoch schonend und risikolos möglich durch niedrig dosierte transdermale E2-Pflaster (Abgabe von 14 oder 25µg/Tag) oder E2-Gele. Falls der Uterus vorhanden ist, soll beim 25µg-Pflaster 100mg Progesteron als Kapsel kontinuierlich kombiniert (1 Kapsel pro Tag) vaginal appliziert werden. Beim 14µg Pflaster sollte alle neun Monate für 14 Tage die Progesteronkapsel vaginal appliziert werden. Eine Leberpassage (wie bei oralen Präparaten) sollte für E2 und Progesteron vermieden werden.

Fazit: 5 goldene Regeln zur Hormonsubstitution (HST), falls diese erforderlich ist:

  • Die Leberpassage des E2 vermeiden, also nur noch transdermal substituieren (Vermeidung von Thromboserisiko, Vermeiden des Absinkens von freiem Testosteron durch SHBG-Anstieg).

  • E2 niedrig dosiert substituieren. Östrogen alleine (z.B. nach Hysterektomie möglich) niedrig dosiert erhöht das Brustkrebsrisiko nicht.

  • Nicht die Anzahl der Zyklen erhöhen, also bei vorhandenem Uterus bei Gabe von 25µg E2/Tag das Progesteron kontinuierlich kombiniert geben (erhöht Brustkrebsrisiko nicht).

  • Progesteron synthetischen Gestagenen vorziehen
    (senkt Brustkrebsrisiko).

  • Die Leberpassage des Progesterons vermeiden
    (sichert die Blutungsfreiheit).

Die optimalen E2-Spiegel unter einer HST liegen zwischen 20–30ng/l (Blutentnahme 48 Std. nach Aufkleben des Pflasters oder 3–4 Std. nach Auftragen des Gels).

Preiswerter als die E2-Pflaster sind die Gele: Mit einem Hub von z.B. Gynokadin-Dosiergel werden ähnliche E2-Spiegel im Serum erzielt wie bei einem 25µg Pflaster, die Therapiekosten liegen bei dem Gel bei etwa 5 Euro pro Monat halb so hoch wie beim Pflaster.

Die Knochenabbauraten sind postmenopausal besonders hoch, wenn gleichzeitig die Versorgung mit Vitamin D schlecht ist.

3. Vitamin-D-Mangel: Eine unterschätzte Ursache von Osteoporose und Arthrose:

Bei Personen über 50 Jahren besteht in sehr vielen Fällen eine suboptimale Vitamin-D-Versorgung. Die Haut des Älteren bildet nicht mehr so gut Vitamin D. Die Bildung von Vitamin D in der Haut ist abhängig von der UV-Licht-Exposition, nur das kurzwellige UV-B (um 300 nm Wellenlänge) führt zur Vitamin-D-Bildung. UV-B gelangt jedoch durch zunehmende Verschmutzung der Luft, z.B. in und über großen Städten, immer weniger an unsere Haut.

Die Vitamin-D-Versorgung kann heute gut durch die Messung von 25-OH-Vitamin D (Calcidiol) im Blut erfasst werden, 25-OH-Vitamin D ist der Vitamin-D-Metabolit mit der höchsten Konzentration in der Zirkulation, er gibt die Versorgung einer Person mit Vitamin D (Mangel, normale Versorgung, Überschuss) am besten an.

Der Normalbereich des 25-OH-Vitamin D im Serum bei Personen im Alter unter 50 Jahren liegt zwischen 20–70µg/l. Ältere können aus 25-OH-Vitamin D nicht mehr so gut das hochaktive 1,25(OH)2D3 (Calcitriol) bilden, sie benötigen deshalb etwas höhere Spiegel an 25-OH-Vitamin D, optimale Spiegel bei über 50-Jährigen liegen zwischen 30 und 70µg/L.

Man fand jedoch, dass die meisten Personen in diesem Alter niedrigere 25-OH-Vitamin-D-Spiegel aufweisen und sich dann sehr häufig ein sekundärer Hyperparathyreoidismus (HPT) entwickelt (bei einem Mangel an Vitamin D wird weniger Calcium aus dem Darm aufgenommen und das fehlende Calcium wird durch eine vermehrte Parathormon (PTH)-Ausschüttung aus dem Skelett geholt). Die Spiegel an intaktem PTH steigen dann auf über 45ng/l (Normalbereich bei Jüngeren mit guter Vitamin-D-Versorgung 12–45ng/l).

Die niedrigsten 25-OH-Vitamin-D-Spiegel sind von Januar bis April zu finden. Frauen weisen oft niedrigere Spiegel auf als Männer. (Kosmetika enthalten z.T. Lichtschutzfaktoren, diese reduzieren die Vitamin-D-Bildung in der Haut).

Durch präzise Messungen der Knochendichte wurde gefunden, dass in Deutschland überwiegend in den Wintermonaten Knochenverluste entstehen.

Knorpel enthält Vitamin-D-Rezeptoren, Arthrose und Rheumatoide Arthritis (generell Autoimmunerkrankungen) werden durch Vitamin-D-Mangel gefördert.

Der Vitamin-D-Bedarf Gesunder unter 50J. liegt von Okt. bis Mai etwa bei 1000 IE pro Tag. Bei Osteoporose, Arthrose oder rheumatoider Arthritis sind 2000 IE/Tag von Okt. bis Mai nötig, um den Zielbereich des 25-OH-Vitamin D von 30–70µg/l zu erreichen.

Prävention eines Vitamin-D-Mangels: Durch rechtzeitige Erkennung und Behandlung eines Vitamin-D-Mangels (preiswert möglich, z.B. von Okt. bis Mai z.B. pro Monat 2 Kapseln Dekristol 20.000 nehmen), entstehen nur Kosten von etwa 5 Euro pro Jahr.

Erfolg durch Messung von 25-OH-Vitamin D zwischen Januar und April absichern.

Erhöhtes Homocystein (niedriges Folat und/oder Vit. B12) ist auch mit Osteoporose assoziiert.

Zusammenfassung:

Die meisten Fälle von Osteoporose entstehen, weil durch zu wenig Vitamin D im Winter ein sekundärer HPT entsteht, der auf ein hormonell schlecht geschütztes Skelett trifft.

Kontrolluntersuchungen sollen zwischen Januar und April erfolgen:

– Liegt das 25-OH-Vitamin D im Zielbereich?

(30–70µg/l)

– Liegt PTH im Zielbereich?

(12–45ng/l)

– Ist der Knochenabbau (Desoxypyridinolin) normal?

(<65µg/g Kreatinin)

– Ist der Knochenabbau (CrossLaps) normal?

(<0,6µg/l)

– Ist der Knorpelabbau (Pyridinolin/Desoxypyr.) normal?

(Quotient 3:1 bis 5:1)

– Liegt das Östradiol im Zielbereich?

(z.B. 20–30ng/l)

– Liegt das Homocystein im Zielbereich?

(z.B. <10µmol/l)