Zeitschrift für Klassische Homöopathie 2007; 51(3): 129-130
DOI: 10.1055/s-2007-985994
Nachruf
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Dr. med. Ernst A. Bauer (1914-2007)

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Publication Date:
24 October 2007 (online)

Dr. med. Ernst A. Bauer

Am 4. Juli 2007 verstarb im Alter von 93 Jahren der schweizerische homöopathische Arzt Ernst Bauer. Er wurde am 13. Februar 1914 in Sirnach im Kanton Thurgau geboren. Er war ein herausragender Arzt und als Mensch eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Ernst Bauer praktizierte zuerst in Landquart in Graubünden, bis er mit seiner Praxis nach Arosa umzog. Dort konnte er seine Patienten im neben seiner Praxis gelegenen Kurhaus Prasura auch stationär betreuen. Ernst Bauer verfügte über ein breites Spektrum an naturheilkundlichen Behandlungsmethoden, wobei aber im Zentrum seiner ärztlichen Tätigkeit die klassische Homöopathie stand. Er war ein langjähriger Schüler und Wegbegleiter von Pierre Schmidt, der ihn neben der Homöopathie ab 1946 auch in Akupunktur und anderen Methoden unterrichtete. Später setzte Bauer seine Akupunkturausbildung bei Soulie de Morant und Niboyet in Marseille fort.

Ein besonderes Kennzeichen von Ernst Bauer war, dass er sein Leben lang ein Lernender blieb, wobei er sich immer an die besten und kompetentesten Lehrer wandte. Er war allen neuen Verfahren aufgeschlossen und seiner Zeit immer weit voraus - so ließ er sich auch sehr früh in der damals neu aufgekommenen Psychoanalyse nach Freud ausbilden.

Da er die Homöopathie nach der Methode Pierre Schmidts ausübte, verwendete er meist Hoch- und Höchstpotenzen bis zur MM, wofür ihm eine sehr umfassende eigene Apotheke zur Verfügung stand. Seine Anamnesen in chronischen Fällen orientierte er immer an Schmidts Fragenkatalog. Die homöopathische Mittelwahl pflegte er anschließend mit der Überprüfung der Weihe'schen Druckpunkte abzusichern.

In seinen Anfangsjahren verordnete er bei einer Patientin mit akuter Mastitis puerperalis einmal Bryonia C 200. Es lagen die klassischen Bryoniasymptome vor, die Mittelwahl war eindeutig. Dennoch erfolgte auf die Gabe keine Besserung und er musste zu Penicillin greifen. Als er Pierre Schmidt fragte, wieso das eindeutig indizierte Bryonia in diesem Fall nichts ausrichtete, antwortete Schmidt: „In so einer akuten Situation ist die C 200 wie Wasser, sie hätten die XM nehmen müssen.”

Ein zweiter Schwerpunkt neben der Homöopathie war für ihn die Ernährung. Seine Patienten, die aus der ganzen Welt kamen, fasteten oder erhielten eine individuelle Rohernährung. Eine über fünfzigjährige Praxiserfahrung, verbunden mit einem wachen und offenen Geist und außergewöhnlichem homöopathischen und naturheilkundlichen Wissen, ermöglichten ihm Einblicke in Zusammenhänge, die einem im Tagesgeschäft verhafteten Arzt im Allgemeinen verwehrt bleiben. Er überblickte die gesundheitliche Entwicklung vieler Patientenfamilien über große Zeiträume. Er sah z.B. eine Ursache für die Zunahme der chronischen Krankheiten und eines allgemeinen geistigen Niedergangs in der aufkommenden denaturierten Industrienahrung begründet, ähnlich wie es Bircher-Benner gesehen hat.

Er vertrat seine Überzeugungen kompromisslos und war im positiven Sinn unkonventionell. Dass er seiner Zeit immer voraus war, zeigte sich nicht zuletzt auch daran, dass er vielen schulmedizinischen Kollegen ein Dorn im Auge war - kamen doch seine erst heute anerkannten Methoden wie Homöopathie, Akupunktur und Fasten für sie zu früh.

Er konnte bei vielen seiner oft schwerkranken Patienten glänzende Heilungserfolge erzielen. Seine Patienten waren ihm dankbar und verehrten ihn. Sie hielten auch über die Angriffe hinweg, denen er ausgesetzt war, zu ihm.

1988 lernte ich Ernst Bauer auf der Medizinischen Woche in Baden-Baden kennen, als er sich in eine Diskussion einschaltete und in einem vorgestellten Fall die Gabe einer Hochpotenz empfahl und damit Heilung in Aussicht stellte. Als ich ihn in Arosa in der Schweiz besuchte, lernte ich ihn als begnadeten Arzt kennen, der eine internationale Praxis führte. Die tägliche Telefonsprechstunde begann um 5:30 Uhr und zog sich über zwei Stunden hin. Die Patienten, die aus ganz Europa und auch Übersee anriefen, wurden vom polyglotten Arzt meist in ihrer Muttersprache befragt. So konnte er tausende Patienten über die Distanz betreuen. An manchen Tagen meldeten sich aus voneinander weit entfernten Regionen Patienten, die alle an sehr ähnlichen Beschwerden litten. Er führte diese quasi epidemische Krankheitssymptomatik auf kosmische Einflüsse zurück.

Ernst Bauer war der ZKH seit 1960 verbunden. Seine erste Veröffentlichung war ein Vortrag, den er auf der Liga-Tagung 1960 in Montreux über Homöopathie bei seelischen Störungen gehalten hat. Seit 1993 war er korrespondierendes Mitglied der Schriftleitung. Er war Referent in den ärztlichen Ausbildungskursen in Baden-Baden und hielt auch eigene Kurse in Arosa ab.

Mit Ernst Bauer haben wir einen herausragenden Arzt mit universellem Wissen verloren. Unser Mitgefühl gilt seiner Frau Helen Rütti-Bauer.

Andreas Wegener

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