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DOI: 10.1055/s-2007-984613
Retinale Vaskulitis nach Hepatitis-A und -B-Impfung
Hintergrund: Das Paul-Ehrlich-Institut berichtet in seinen jüngsten Veröffentlichungen von 1393 gemeldeten Verdachtsfällen von Nebenwirkungen nach Impfungen bzw. Impfkomplikationen im Jahr 2005, davon 919 schwerwiegende. Etwa die Hälfte der Patienten erlangte bis zum Zeitpunkt der Erfassung wieder ein restitutio ad integrum, bei 34 blieben dauerhafte Schäden. Im Zeitraum von 1995 bis 2000 sind dem Paul-Ehrlich-Institut 1019 Fälle unerwünschter Reaktionen nach Hepatitis-B-Impfung mitgeteilt worden, davon 16 Todesfälle. Neben allergischen Reaktionen (v.a. anaphylaktischer Schock, Quincke-Ödem) wurde auch über Hautreaktionen und neurologische Veränderungen (z.B. Enzephalitiden, Meningitiden, Fazialisparese) berichtet. Außerdem wurden im Beobachtungszeitraum in 39 Berichten ophthalmologische Veränderungen erwähnt. Hierunter fielen Optikusneuritis, Retrobulbärneuritis, Retinitis, Uveitis, Iridozyklitis sowie eine Optikusatrophie. Seit 1. Januar 2001 besteht eine gesetzliche Meldepflicht über das Maß hinausgehende Krankheitserscheinung nach einer Impfung.
Methodik: Im Januar 2005 stellt sich ein 47-jähriger Mann in unserer Poliklinik vor. Er berichtet über seit 4 Wochen zunehmende Sehverschlechterung am rechten Auge, seit kurzem auch am linken Auge. Die ophthalmologische Anamnese war bis zu diesem Zeitpunkt unauffällig. Allgemeinerkrankungen lagen keine vor. Im Oktober 2004 erfolgte die erste und zweite Impfung gegen Hepatitis A und B. Befunde bei Erstvorstellung: beidseits: Visus Ferne s.c. 1/25 G.b.n.; Tensio 17mmHg; Vorderabschnitt reizfrei, regelrecht, altersentsprechende Linsentransparenz; Fundus deutliches Papillenödem, Macula ödematös, Cotton-wool-Herde, Blutungen in allen Quadranten. Fluoreszenzangiografisch zeigte sich beidseits eine Leckage im Bereich der Papille und retinalen Gefäße, wodurch ein deutliches Ödem der Netzhaut resultierte. Die Gefäßwände zeigen in diesen Aufnahmen Unregelmäßigkeiten. Bis auf eine deutliche Farbsättigungsstörung stellen sich die übrigen Befunde (Sehschule, Biomikroskopie) als unauffällig dar. Die weitere Abklärung erbrachte weder in den neurologischen Untersuchungen einschließlich Liquordiagnostik noch in den serolgischen Bestimmungen (Rheumafaktoren, Immunkomplexe, Autoantikörper, Komplementfaktoren) Hinweise auf bestehende Entzündungen oder Begleiterkrankungen. Auch die Suche nach durch Viren bedingte Krankheiten (Herpes, FSME, Masern, Mumps; HIV etc.) verlief ergebnislos. Im Verlauf entwickelten sich an beiden Augen Neovaskularisationen, die eine Behandlung mit Argonlaser notwendig machte. Zur Behandlung des Netzhautödems wurde sowohl Triamcinolon als auch Bevacizumab intravitreal injiziert. Weitere Progredienz am linken Auge führte letztlich zum Sekundärglaukom und erforderte eine Therapie mit Cyclophotokoagulation und Kryokoagulation des Ziliarkörpers.
Ergebnisse: Als Ursache für die akute Sehverschlechterung auf beiden Augen kann eine Vaskulitis der retinalen Gefäße mit begleitendem Ödem verantwortlich gemacht werden. Als Pathomechansimus wird in der Literatur die Ablagerung von Immunkomplexen oder löslicher Immunkomplexe im Serum, die sekundär zu immunologischen Veränderungen führen, diskutiert. Allerdings konnten im Serum keine Immunkomplexe oder Komplementfaktoren nachgewiesen werden. Auch die weiterführenden neurologischen und immunologischen Untersuchungen brachten keine weiterführenden Hinweise. Als einziger Anhaltspunkt ist anamnestisch die etwa 8 Wochen vor der Sehverschlechterung durchgeführte Hepatitis-A und -B-Impfung zu vermerken. Vaskulitiden im Zusammenhang mit Hepatitis-B-Impfungen sind in der Literatur aber bereits beschrieben worden.
Schlussfolgerung: Unerwünschte Wirkungen können nach jeder Applikation eines Medikaments auftreten, so auch bei Impfungen. Ein Teil dieser Nebenwirkungen treten auch am Auge auf und sind zum Teil mit erheblichen Folgen für den Betroffenen. Der vorliegende Bericht beschreibt eine beidseits aufgetretene retinale Vaskulitis acht Wochen nach Hepatitis-A und -B-Impfung. Es bleibt zu diskutieren, ob die retinale Vaskulitis zufällig mit der Impfung zusammentraf, durch die Impfung hervorgerufen wurde oder durch die Impfung erst zum Ausbruch kam.