Geburtshilfe Frauenheilkd 2007; 67 - P_133
DOI: 10.1055/s-2007-983630

Brauchen wir in Österreich ein Episiotomie-Reduktionsprogramm?

K Heim 1, W Oberaigner 2
  • 1Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Medizinische Universität Innsbruck, Innsbruck
  • 2Geburtenregister, Institut für Klinische Epidemiologie, Innsbruck

1. Fragestellung:

Der Wert der routinemäßigen Episiotomie (EP) steht immer mehr zur Diskussion. Zwei wesentliche akuelle Review-Arbeiten* zeigen eindeutig Vorteile eines restriktiven Verhaltens. Ziel war es, die ersten Jahresergebnisse des Geburtenregister Österreichs in das Licht dieser Erkenntnisse zu stellen und zu Fragen, ob Veränderungen in der Anwendung dieses häufigsten an Frauen durchgeführten operativen Eingriffes induziert werden sollten.

2. Methodik:

2005 wurden von 59 Geburtshilflichen Abteilungen perinatologische Daten von 50759 Geburten im Geburtenregister Österreich gesammelt, überprüft, ausgewertet und quartalsmäßig rückübermittelt.

3. Ergebnisse:

Bei 9722Müttern wurde eine EP durchgeführt (25,2% aller vaginalen Geburten). Bei Erstgebärenden (EG) in 40,1% und in 13,3% bei Mehrgebärenden (MG). Der Anteil der EP variiert bei den Abteilungen zw. 5% und 72% bei EG und zw. 1% u. 33% bei MG. Wurde eine EP durchgeführt, war der Anteil hochgradiger Dammrisse (DR) zw. 0% u. 9,1%, ohne EP zw. 0% u. 2,2%). Der Anteil Mütter ohne EP und ohne Rißverletzungen variiert unter den Abteilungen zw. 18% u. 61%. Die zitierten aktuellen Review-Arbeiten* kommen eindeutig zum Schluss, dass bei restriktiver Anwendung der EP insgesamt weniger Frauen von hinteren perinealen Traumata, weniger Nahtversorgungen und weniger Heilungskomplikationen betroffen sind. Es besteht kein Unterschied bei schweren Scheiden- oder Dammrißverletzungen, Dyspareunien, Schmerzparametern und Harninkontinenz. Dies veranlaßte die ACOG 2006 ein Bulletin* herauszugeben, in dem das restriktive Verhalten eindeutig empfohlen wird. In den angeführten Studien lag die EP-Rate bei der restriktiven Gruppe im Mittel bei 27% aller Vaginalgeburten.

4. Schlussfolgerungen:

Da einerseits fast 50% der Abteilungen in Österreich eine EP-Rate über 25% besitzen, eine große Bandbreite (ohne erkennbare Nachteile für das Outcome) unter den Abteilungen besteht und andererseits auch die (wiewohl nicht randomisierten) Ergebnisse betreffend z.B. hochgradiger DR oder kindlichem Outcome keine Vorteile häufigerer EP erkennen lassen, ist unweigerlich als Folge dieser Ergebnisse und im Vergleich mit evidenzbasierten Daten, die Frage nach einem “Episiotomiereduktionsprogramm“ zu stellen, um aus den Ergebnissen des Geburtenregisters auch Nutzen für die uns anvertrauten Patientinnen zu ziehen.