Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - P367
DOI: 10.1055/s-2007-983337

Primäre Ziliendyskinesie als Ursache des neonatalen Atemnotsyndroms. Ein Fallbericht

C Hünseler 1, L Lange 1, I Schmitz 2, A Vierzig 1, B Roth 1
  • 1Univ.-Kinderklinik, Köln
  • 2Pathologie, Ruhr-Universität Bochum an den BG Kliniken Bergmannsheil, Bochum

Hintergrund: Die primäre Ziliendyskinesie (PCD) ist eine erbliche Störung der Anlage und damit der Funktion der respiratorischen Zilien der Epithelzellen der oberen und unteren Atemwege. Die Häufigkeit wird auf 1:15.000–1:30.000 Geburten geschätzt. Auch wenn in der Regel die Betroffenen schon in der Neonatalperiode symptomatisch werden, wird die Diagnose meist erst im späteren Leben gestellt. Wir stellen ein Neugeborenes mit postpartaler Dyspnoe vor, bei dem ursächlich eine PCD zu Grunde lag. Fallbeschreibung: Bei dem Patienten handelt es sich um ein männliches Neugeborenes der 36+0 SSW, Z.n. Spontangeburt, Geburtsgewicht 2650g, Apgar 9–9-10, welches am Tag der Geburt durch eine Zyanose auffiel. Im Verlaufe der ersten Lebenstage entwickelte sich eine zunehmende Dyspnoe (Silverman-Score im Mittel 6 Punkte) und Sauerstoffbedarf, so dass eine Atemunterstützung mit CPAP und auch kurzfristige Beatmung notwendig wurde. Radiologisch fielen wechselnde Atelektasen auf. Ab dem 18. Lebenstag bestand kein weiterer zusätzlicher Sauerstoffbedarf mehr, bei anhaltender Tachydyspnoe und chronischer Rhinitis. Die Diagnose PCD wurde im Rahmen der diagnostischen Abklärung durch wiederholte nasale Bürstenbiopsien gesichert. Ursächlich liegt ein Fehlen der inneren Dynein-Arme vor. Die Therapie erfolgte symptomatisch mit physikalischer Therapie, ACC und Sultanol-Inhalationen. Eine Heterotaxie besteht nicht. Diskussion: Die PCD ist eine insgesamt seltene Ursache des neonatalen Atemnotsyndroms (ANS). Ein Großteil der Kinder ist bereits im Neugeborenen-Alter symptomatisch. Bei ungeklärter Ursache eines ANS, beispielsweise bei reifen Neugeborenen oder prolongiertem Verlauf, sollte auch immer an diese Differenzialdiagnose gedacht werden. Ein weiteres wegweisendes Symptom ist die häufig von Geburt an bestehende chronische Rhinitis. Die Diagnose kann licht- und elektronenmikroskopisch aus einer Biopsie des Nasenepithels gestellt werden, abzugrenzen sind sekundäre Schädigungen der Zilien. Eine erniedrigte nasale NO-Produktion könnte in Zukunft evtl. als Screening-Test dienen. Die Therapie der PCD ist rein symptomatisch und zielt auf eine Verbesserung der Sekretdrainage aus den oberen und unteren Atemwegen und eine frühzeitige Therapie von Atemwegsinfektionen um chronische Lungenschäden zu minimieren.

Literatur: Ferkol T, Leigh M: Primary Ciliary Dyskinesia and Newborn Respiratory Distress. Semin Perinatol, 2006; 30:335–334.

Noone PG, Leigh MW, Sannuti A, Minnix SL, Carson JL, Hazucha M, Zariwalla MA, Knowles MR: Primary ciliary dyskinesia. Am J Respir Crit Care Med 2004; 169: 459–57