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DOI: 10.1055/s-2007-983321
Pflege eines Harlekin- Babys: eine außergewöhnliche medizinische und menschliche Herausforderung
Die Harlekin- Ichthyose ist die Maximalvariante kongenitaler Verhornungsstörungen, die auf einer durch Mutationen im ABCA12- Gen verursachten Lipidtransporter- Störung beruht. Die sehr seltene Erkrankung galt bis Ende der achtziger Jahre als nicht mit dem Leben vereinbar. Erst die Einführung der systemischen Therapie mit Retinoiden, gepaart mit Fortschritten in der neonatologischen Intensivmedizin, hat zum längerfristigen Überleben einzelner Kinder geführt. Verdickte panzerartige, durch tiefe Einrisse voneinander getrennte Hornplatten bedecken das gesamte Integument und führen zu dem harlekinartigen Aspekt. Das Gesicht ist durch Eklabium, Ektropion und rudimentär anmutende Nase und Ohren entstellt und führt zu schweren Abwehrreaktionen und Berührungsängsten bei Eltern und Pflegepersonal. Überlebende zeigen das klinische Bild einer schweren lamellären Ichthyosis und bedürfen der intensiven und individualisierten pädiatrisch- dermatologischen Nachsorge. Bereits in Kasuistiken aus dem 16. und 19. Jahrhundert finden sich plastische Schilderungen der typischen Stigmata sowie des früh-letalen Verlaufs der Harlekin- Ichthyose. Wir belegen anhand eines aktuellen sowie historischer Fallberichte den Wandel in Therapie und Prognose. Das männl. Neugeborene wurde nach unauffälliger Schwangerschaftsanamnese nach 36 SSW aus BEL nach vorzeitigem Blasensprung per Sectio als erstes Kind konsanguiner Eltern pakistanischer Herkunft geboren. APGAR 9/9/9, GG 3128g (50. Perz.), Länge 51cm und KU 39,5cm (jew. >97. Perz.). Der klinische Aspekt zeigte das Vollbild eines Harlekin- Babys und einer Beckenendlagensequenz, Hand-und Fußgelenke waren geschwollen und durch den rigiden Hautpanzer in kontrakter Haltung. Die Atmung war nicht beeinträchtigt. Die Pflege berücksichtigte den erhöhten Flüssigkeitsbedarf durch Lagerung bei 90–95% relativer Luftfeuchtigkeit im Doppelwandinkubator bei 32–35°C. Via Nabelvenenkatheter und Magensonde wurden 150–180ml/kg/d Flüssigkeit appliziert. Trotz einer am ersten LT begonnenen systemischen Retinoidtherapie (Acitretin 0,5–1mg/kg/dp.o.), zweistündlich applizierter Lokaltherapie (Triclosan-Lsg sowie Harnstoff-Salbe) und Physiotherapie konnte eine Nekrosebildung an Fingern und Zehen während der ersten drei Tage nicht verhindert werden. Die medikamentöse Therapie wurde durch prophylaktische antiinfektiöse Therapie (Cefuroxim, Piperacillin,Fluconazol) sowie durch Analgesie (Morphin- Dauerinfusion) ergänzt. Sowohl die Familie als auch das neonatologische Team bedurfte einer psychoemotionalen Unterstützung, um Pflege und Annahme des Kindes als würdevolles menschliches Wesen realisieren zu können. Die Entlassung nach Hause erfolgte am 67. LT. Fazit: Die Intensivpflege eines Harlekin-Babys erfordert eine optimale interdisziplinäre Zusammenarbeit, um das Überleben zu sichern und einen Übergang in kompetente häusliche und ambulante Betreuung zu ermöglichen.