Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - P349
DOI: 10.1055/s-2007-983319

Beidseitige pränatale Hodentorsion (HT): Eine Fallvorstellung

S Bagci 1, A Müller 1, H Bachour 2, A Heep 1, P Bartmann 1, AR Franz 1
  • 1Universitätsklinik Zentrum f. Kinderheilkunde, Bonn
  • 2Zentrum für Kinderchirurgie, -orthopädie und -neurochirurgie, Asklepios Kinderklinik, Sankt Augustin

Einleitung: Die pränatale HT ist ein seltenes Ereignis und tritt überwiegend einseitig auf. In 11–21% der Fälle kommt sie beidseits vor. Die pränatale HT ist häufig symptomarm. Eine indolente Schwellung oder ein harter Hoden kann sofort nach der Geburt beobachtet werden. In der Sonographie lassen sich Hodenvergrößerung und ipsilaterale Hydrozele darstellen. In der Farbdopplersonographie findet sich kein Flusssignal im Hoden. Weil die beidseitige pränatale HT zur Anorchie führen kann, muss auch bei zweifelhaftem Befund die sofortige operative Skrotalrevision erwogen werden. Wir berichten über einen Fall mit beidseitiger pränataler HT. Fall: Eine 31-jährige I.Gravida wurde wegen einer fetalen Tachyarrhythmie in der 33. Schwangerschaftswoche vorgestellt. Die fetale Echokardiographie zeigte ein Vorhofflattern mit 2:1 Überleitung, Kammerfrequenz 205/min. Anatomisch war der kardiale Befund unauffällig. Durch mütterliche Digoxin-Therapie konnte das Vorhofflattern in einen Sinusrhythmus konvertiert werden. In der 39. SSW wurde ein männliches hypertrophes Neugeborenes mit einem Geburtsgewicht von 4020g durch primäre Sektio geboren. Sofort nach der Geburt fiel eine beidseitige pralle und druckschmerzhafte Schwellung des Skrotums auf. Das Skrotum war nicht verfärbt, und das linke Skrotum war kleiner als das rechte. Sonographisch zeigte sich keine Hodenvergrößerung, sondern nur eine intraskrotale binnenechoreiche Flüssigkeitsansammlung als Ausdruck einer Einblutung. Es fand sich kein Flusssignal in beiden Hodenparenchymen. Die Laborwerte, einschließlich Blutbild, Gerinnung, CRP und IL-6, waren normal. Innerhalb der ersten 3 Lebensstunden erfolgte die chirurgische Exploration bei Verdacht auf beidseitige pränatale HT. Hierbei zeigte sich tatsächlich eine extravaginale HT beidseits mit makroskopisch tiefschwarzen, hämorrhagischen und nekrotischen Hodengeweben. Der linke Hoden war bereits atrophisch. In der Hoffnung, wenigstens die endokrine Hodenfunktion zu erhalten, wurden beide nekrotische Hoden im Skrotum belassen. Der postoperative Verlauf des Patienten war unauffällig. Bei wiederholten dopplersonografischen Kontrollen wurde kein arterieller Fluss in den die Hoden versorgenden Arterien festgestellt. Diskussion: Wir berichten über einen Fall mit beidseitiger pränataler HT. Bei der postnatalen Behandlung ist das Risiko einer Operation in den ersten Lebensstunden abzuwägen gegen die Hoffnung, Hodengewebe zu retten und eine komplette Anorchie zu vermeiden. Ob durch Belassung der makroskopisch nekrotischen Hoden wenigstens die Funktion der Leydig-Zellen erhalten werden kann, muss in der endokrinologische Nachsorge geprüft werden. Evidenz basierte Empfehlungen zur Behandlung der pränatalen HT liegen nicht vor.