Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - P330
DOI: 10.1055/s-2007-983300

Akute demyelinisierende Encephalomyelitis (ADEM) – eine Kasuistik

A Lingenauber 1, C Schrader 1, B Grolle 1, A von der Wense 1
  • 1Altonaer Kinderkrankenhaus, Hamburg

Wir berichten über einen 6-jährigen Knaben, dessen CT und MRT Befunde demonstriert werden. 10 Tage vor der stationären Aufnahme war ein fieberhafter Infekt aufgetreten, der rasch abheilte. Zur stationären Aufnahme führte die über 24 Stunden beobachtete, zunehmende Schläfrigkeit des Kindes. Im Laufe des Aufnahmetages entwickelte das Kind zusätzlich eine Aphasie. Das aufgrund der Bewusstseinsstörung durchgeführte CCT war unauffällig, daher wurde im Anschluss ein MRT durchgeführt. Dieses ließ im Marklager multiple, nicht vaskularisierte Herde erkennen, die als Demyelinisierungsherde eingeordnet wurden. Das EEG wies eine ausgeprägte Allgemeinveränderung auf. Die weitere neurophysiologische Diagnostik zeigte verzögerte Latenzen der SSEPs, VEP und AEP waren unauffällig. Die Liquorpunktion ergab eine mäßige Pleozytose, eine Eiweiß- und Albuminerhöhung, das Reiberdiagramm wies eine leichte Schrankenstörung auf, die mikrobiologische Diagnostik blieb unauffällig. Als Differenzialdiagnose wurde eine Encephalitis diskutiert, bei fehlendem Fieber und einem für die ADEM typischen MRT Befund entschlossen wir uns noch am 1. Behandlungstag zu einer Methylprednisolonstosstherapie, anfangs unter zeitgleicher antibiotischer und antiviraler Therapie. Hierunter besserte sich die Bewusstseinsstörung rasch. Die bisherige Nachbeobachtungszeit ist frei von Rezidiven, damit entspricht diese Kasuistik dem typischen Krankheitsverlauf. Die ADEM tritt überwiegend nach Virusinfekten auf, etablierte Diagnosekriterien, wie sie für die Diagnose einer multiplen Sklerose (MS) vorliegen, fehlen jedoch. Ein akuter, polysymptomatischer Beginn und ein encephalitisches Krankheitsbild sind typisch. Der für die Diagnose geforderte monophasische Krankheitsverlauf ist erst nach längerer Nachbeobachtung sicher zu erkennen. Bis zu 35% der Patienten entwickeln später eine MS, so dass es Überschneidungen zwischen beiden Krankheitsbildern gibt. Die Therapie erfolgt in Anlehnung an die Therapie der MS mit hochdosierten Steroiden, auch Immunglobuline und Plasmapherese wurden therapeutisch eingesetzt. Die Gabe von Steroiden führt überwiegend, wie auch bei unserem Patienten beobachtet, zu rascher Besserung. Meist erfolgt eine Restitutio ad integrum, bei Kleinkindern mit lebensbedrohlichem Krankheitsbild sind Residuen beschrieben. Wichtig, um eine frühzeitige Therapie einzuleiten, ist die Abgrenzung von einer Encephalitis, die vom klinischen Bild her ähnlich verläuft. In der Diagnostik ist daher die Kernspintomographie ein wichtiger Baustein, da sie die Demyelinisierungsherde früh darstellen kann und damit dem CT überlegen ist.