Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - P189
DOI: 10.1055/s-2007-983260

Kongenitaler Hyperinsulinismus – Ein Fallbericht

S Beck 1, N Bachmaier 1, K Mohnike 2, O Blankenstein 3, C Fusch 1, RD Stenger 1
  • 1Kinderklinik, Ernst-Moritz-Arndt Universität, Greifswald
  • 2Universitäts-Kinderklinik Magdeburg, Magdeburg
  • 3Charite Kliniken f. Kinderheilkunde und Kinderchirugie, Berlin

Hintergrund: Glukose ist die Hauptenergiequelle des Gehirns. Die persistierende Hypoglykämie wird bereits bei Neugeborenen im Rahmen des kongenitalen Hyperinsulinismus beobachtet. Apnoen, kardiale Rhythmusstörungen, Apathie, Trinkfaulheit, Hypothermie und Konvulsionen sind typische Symptome einer solchen Hypoglykämie. Der kongenitale Hyperinsulinismus kann durch eine Vielzahl bekannter und unbekannter genetischer Ursachen hervorgerufen werden, und je nach Ursache kann die Prognose und Therapie unterschiedlich sein. Daher erfordert dieses Krankheitsbild eine rasche und gründliche differenzierte Diagnostik um das betroffene Kind einer individuell angepassten Therapie zuführen zu können. Fallbericht: Der Patient wurde nach 35+5 SSW unauffälliger Schwangerschaft spontan (2905g, 90. Perzentile) entbunden. Am zweiten Lebenstag kam es zu einem Krampfanfall, als Ursache wurde eine Hypoglykämie mit einem BZ von 1,9mmol/l diagnostiziert. Bei guter oraler Nahrungsaufnahme gelang es über zwei Wochen nicht, eine Euglykämie ohne Glukoseinfusion zu erreichen. Zweimalige Therapieversuche mit Diazoxid bis zu einer Dosis von 20mg/kg/d führten zu keiner Verbesserung der BZ-Spiegel. In diagnostisch provozierter Hypoglykämie konnte eine metabole Ursache ausgeschlossen und ein Hyperinsulinismus gesichert werden (Insulin 221pmol/l bei Blutglucose 1,2mmol/l; Kontrolle: Insulin 51,6pmol/l bei Glucose 0,7mmol/l, Ammoniak mehrfach im Normbereich). In der bildgebenden Lokalisationsdiagnostik mit 18F-DOPA-PET wurde bei dem Patienten eine diffuse Form des kongenitalen Hyperinsulinismus diagnostiziert. Molekulardiagnostisch konnte eine homozygote Mutation des SUR-1 (KCNJ11)-Gens als Ursache identifiziert werden. Aufgrund dieser differenzierten Diagnosestellung erhielt der Patient nicht primär eine Pankreasteilresektion, sondern wurde medikamentös eingestellt. Die ambulante Therapie und Kontrolle wird derzeit nach intensiver Schulung durch die Mutter durchgeführt und beinhaltet Mahlzeiten mit Maltodextrinbeimengung, zweimal tägliche Gaben von Octreotid, sowie Glukagon als Notfallmedikament. Schlussfolgerungen: Der kongenitale Hyperinsulinismus ist ohne Therapie bedrohlich für die weitere zerebrale Entwicklung. Er stellt hohe Anforderungen an die initiale Diagnostik, damit die wenigen längerfristigen therapeutischen Möglichkeiten individuell abgestimmt werden können. Die Teilresektion des Pankreas ist die am weitesten gehende therapeutische Maßnahme, die allerdings nur bei Patienten mit der fokalen Form des Hyperinsulinismus Heilung verspricht. Daher sollte der therapeutischen – und insbesondere der therapeutisch-chirurgischen – Entscheidung immer eine Lokalisationsdiagnostik mit L-DOPA PET vorausgehen. Bei Patienten mit der diffusen Form ist dagegen ein primär konservatives Vorgehen indiziert, die chirurgische Therapie ist jedoch auch hier als ultima Ratio gelegentlich notwendig.