Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - FV421
DOI: 10.1055/s-2007-983155

Traktion und Wachstumsinduktion: Ein neues Verfahren zur ösophaguserhaltenden Therapie auch komplizierter langstreckiger Ösophagusatresien

H Gitter 1, P Lasch 2, G Selzer 2, J Foker 3, C Lorenz 1
  • 1Klinik für Kinderchirurgie, Zentrum für Kinderheilkunde, Bremen
  • 2Klinik für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin, Zentrum für Kinderheilkunde, Bremen
  • 3Herz Thorax Chirurgie, Klinik für Chirurgie, Minneapolis

Die langstreckige Ösophagusatresie stellt eine therapeutische Herausforderung dar. Obwohl einhellige Meinung ist, dass die Rekonstruktion des eigenen Ösophagus allen anderen Verfahren überlegen ist, wird auch heute noch die Anlage einer zervikalen Ösophagostomie und der spätere Ersatz durch Magenhochzug, Koloninterponat oder – sehr viel seltener – Jejunuminterponat empfohlen und durchgeführt. An der Kinderchirurgischen Klinik in Bremen wurden bisher diese Kinder mit Elongation beider Ösophagusenden behandelt, gefolgt von einer (aufgeschobenen) primären End-zu-End-Anastomose. John Foker hat ein neues operatives Verfahren entwickelt, das auch für komplizierte Atresien (oder sekundäre Schädigungen) des Ösophagus geeignet ist. An der Kinderchirurgischen Klinik in Bremen und der Klinik für Neonatologie und päd. Intensivmedizin wurde gemeinsam mit John Foker erstmals in Deutschland im Sommer 2006 ein Kind mit einer langstreckigen Ösophagusatresie erfolgreich behandelt, das in seinem Heimatland eine zervikale Ösophagostomie erhalten hatte. Dargestellt werden der Verlauf und die Operationstechnik des GeminiFGs der 32. SSW. Zunächst erfolgte die Mobilisation beider Ösophagussegmente, Traktionsnähte wurden gelegt und beide Segmente intern unter mäßiger Spannung mithilfe dieser Nähte fixiert. Einen Monat später erfolgte nach sicherer Abheilung des rückverlagerten oberen Ösophagussegmentes die Re-Thorakotomie und erneute Mobilisation der Segmente. Die Traktionsnähte wurden cranial und caudal der postero-lateralen Thorakotomie durch die Haut ausgeleitet und über Silikon-“Knöpfe“ unter Zug geknüpft. Durch kontinuierlichen Zug konnte die Distanz der Ösophagusenden binnen 2 Wochen soweit reduziert werden, dass eine Ösophagusanastomose problemlos möglich war. Das dargelegte Verfahren ist von John Foker mittlerweile in über 70 Fällen erfolgreich angewandt worden. Aufgrund unserer eigenen Erfahrungen mit der Elongationsbehandlung sind wir schon bisher von einem Wachstumspotenzial der Ösophagussegmente bei langstreckiger Atresie ausgegangen. Die relativ kurzen Traktionszeiten (10–14 Tage) scheinen dies weiter zu belegen. Zervikale Ösophagostomien und Ösophagusersatzverfahren sollten zugunsten des Ösophagus erhaltenden Vorgehens verlassen werden.