Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - FV417
DOI: 10.1055/s-2007-983151

Prädiktoren für ein adäquates Gedeihen von VLBW-Frühgeborenen

R Hentschel 1, P Franck 1, C Müller 1, M Krüger 1, C Lohmann 1
  • 1Universitäts – Kinderklinik, Freiburg

Hintergrund: Ein ungestörtes Wachstum und Gedeihenvon Frühgeborenen (Fgb.) möglichst nahe an den intrauterinen Wachstumsratengilt als wichtig für eine ungestörte somatische und geistige Entwicklung. Nachdem Konzept der frühen Programmierung sind damit verknüpft (1) die späteren kognitiven Leistungen; (2) die Entwicklung von Risikofaktoren, die für eine spätere kardiovaskuläre Erkrankung prädisponieren.

Fragestellung:Welche Prädiktoren bestimmen ein adäquates vs. inadäquates Wachstum von VLBW-Fgb.?

Material und Methode: Retrospektive, longitudinale Observations-Studie der Wachstumsdaten von Fgb. <1.500g der eigenen Klinik aus den Jahrgängen 2003 und 2004. Erfassung von: Gewichtsentwicklung, Kalorienzahl, Flüssigkeitsmenge, Geschwindigkeit des oralen Kostaufbaus, Calcium- und Phosphatzufuhr, Begleitkrankheiten und weiteren Variablen zwischen 5. und 50. Lebenstag (d5, d50) des Fgb., sowie von mütterlichen und Schwangerschaftsdaten. Stratifizierung nach Gewicht </>1.000g Geburtsgewicht und AGA- vs. SGA-Status. Für jede der 4 Subgruppen Berechnung des Mittelwerts der täglichen Gewichtszunahme zwischen d5 und d50 und Definition von gutem vs. schlechtem Gedeihen (oberhalb vs. unterhalb des Mittelwerts). Auswertung der erfassten Variablen durch lineare und logistische Regression für die Gesamtgruppe. Ergebnisse: 94 Fgb. wurden erfasst (65 AGA, 29 SGA). 29 Fgb. in der AGA-Gruppe gediehen schlecht, 17 in der SGA-Gruppe. Sowohl an d10 als auch an d20 lag der Mittelwert der Kalorien in allen Subgruppen mit gutem Gedeihen signifikant höher als in der korrespondierenden Subgruppe mit schlechtem Gedeihen. (z.B. AGA-Gruppe >1000g (d10): 422±73 vs. 387±75kJ/kg für gutes vs. schlechtes Gedeihen). Die Flüssigkeitszufuhr zeigte hingegen keinen eindeutigen Einfluss. Bei einer Berechnung nach linearer Regression waren folgende Faktoren nicht signifikant für die Gewichtsentwicklung: das Geburtsgewicht, der SGA-Status, die BPD, die Dauer derO2-Therapie, der Zeitpunkt bis zum vollständigen oralen Nahrungsaufbau. Nach Auswertung durch logistische Regression verblieben als signifikante Faktoren für das Gedeihen an d10: Kalorien (p=0,014), Diagnose HMS (p=0,017),CRIB-Score (p=0,036); an d20: Kalorien (0,007), Diagnose HMS (p=0,035), Flüssigkeitsmenge (p=0,018).

Diskussion und Schlussfolgerung: Der stärkste Prädiktor für das adäquate Gedeihen ist die Kalorienzahl an beiden untersuchtenTagen, die orale Nahrungsverträglichkeit oder ein pathologisch erhöhter Kalorienbedarf bzw. erhöhte enterale Verluste spielen keine entscheidende Rolle. Angesichts eines weitgehend standardisierten Regimes der Nahrungs- und Substratsteigerung in unserer Klinik bleiben als Erklärung für die unterdurchschnittliche Kalorienzufuhr: Flüssigkeitsrestriktion bei drohender BPD; unzureichende Kohlenhydrat- (bzw. Glukose-) Toleranz. Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer „aggressiven“ Steigerung der Kalorien- und besonders auch der Aminosäurenzufuhr mithilfe der parenteralen Ernährung.