Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - FV414
DOI: 10.1055/s-2007-983148

Bedeutung der Steroidbiosyntheseenzyme für die adrenale Funktion Frühgeborener

M Heckmann 1, M Hartmann 1, K Bördner 1, SA Wudy 1
  • 1Zentrum für Kinderheilkunde der Justus-v.-Liebig-Universität, Gießen

Hintergrund: Eine Unreife des Steroidbiosynthesesystems wird als Ursache einer adrenalen Insuffizienz Frühgeborener (FG) vermutet. Während der Fetalzeit zeigt die 3ß-Hydroxysteroiddehydrogenase (3ß-HSD), das Schlüsselenzym der Steroidbiosynthese, erst im dritten Trimester eine zunehmende Aktivität. Die 11ß-Hydroxylase (11ß-HYD) katalysiert den letzten Schritt der Cortisolbiosynthese. Die Glucocorticoidaktivität wird durch die 11ß-Hydroxysteroiddehydrogenase reguliert. Typ 2 dieses Enzyms (11ß-HSD2) oxidiert Cortisol zum biologisch inaktiven Cortison. Fragestellung: Charakterisierung der 3ß-HSD-, 11ß-HYD und 11ß-HSD-Aktivität unter Berücksichtigung der postnatalen Reifung und Modulation durch Erkrankung in Abhängigkeit vom Gestationsalter. Methoden: Glucocorticoidmetabolite wurden longitudinal bei 61 FG <30 SSW und 81 FG >30 SSW mittels Gaschromatographie-Massenspektrometrie in 24-h-Proben bestimmt. Es wurden Quotienten (QUO), die sich reziprok zur Enzymaktivität verhalten, bestimmt (3ß-HSD: Dehydroepiandrosteron x 100/Tetrahydrocortison + α-Cortolon + ß-Cortolon; 11ß-HYD: Tetrahydro-11-Desoxycortisol x 100/Tetrahydrocortison + α-Cortolon + ß-Cortolon). Für die 11ß-HSD wurde der QUO Σ11-Hydroxy-Metaboliten/Σ11-Keto-Metabolite errechnet. Die Schwere der Erkrankung wurde nach klinischen Kriterien und dem Score for Neonatal Acute Physiology beurteilt. Ergebnisse: 3ß-HSD: Bei FG <30 SSW fand sich eine signifikante Zunahme der Aktivität von Tag 3 (Median QUO 11,9) zur Woche 3 (QUO 7,1). Danach lag die Aktivität nicht signifikant (NS) unterschiedlich zwischen QUO 5,5 und 4,3. Diese Zunahme fand sich bei FG >30 SSW nicht (QUO 6,8 und 5,6; NS). 11ß-HYD: Bei FG <30 SSW fand sich eine signifikante Abnahme der 11ß-HYD-Aktivität von Tag 1 bis zur Woche 3 (QUO 4,8–13,5), was sich bei FG >30 SSW weniger deutlich zeigte (QUO 3,9–6,8). 11ß-HSD: Bei FG <30 SSW fand sich ein signifikanter Abfall des QUO von 0,55 an Tag 1 auf 0,04 in Woche 3 (danach QUO 0,04 und 0,05; NS). Bei FG >30 SSW fand sich ein signifikanter Abfall des QUO von 0,07 an Tag 1 auf 0,05 an Tag 3 (danach QUO 0,04 und 0,05). Modulation durch Erkrankung: Es fand sich kein Unterschied in der 3ß-HSD-, 11ß-HYD-Aktivität und 11ß-HSD-Ratio zwischen kranken und wenig beeinträchtigten FG. Schlussfolgerung: Ausgeprägte Veränderungen der adrenalen Enzymaktivität fanden sich in den ersten 3 Lebenswochen nur bei den unreiferen FG <30 SSW. Dies lässt darauf schließen, dass der Reifungsprozess des adrenalen Steroidbiosynthesesystems hauptsächlich vor 30 SSW stattfindet. Eine Modulation durch Erkrankung ließ sich nicht nachweisen, jedoch fand sich eine erhöhte Aktivität der 11ß-HYD und eine Verschiebung zu den aktiven Cortisol-(11-Hydroxy-Metaboliten) in den ersten Lebenstagen als Phase der höchsten Stressintensität.

DFG-Sachbeihilfe (HE 3557/1–1) an M.H. und S.A.W