Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - FV218
DOI: 10.1055/s-2007-983066

Intrauterines und postnatales Wachstum beeinflussen die neurokognitive Entwicklung sehr kleiner Frühgeborener mit einem Geburtsgewicht <1500g (VLBW-FG)

J Steinmacher 1, F Pohlandt 1, H Bode 1, W Mihatsch 1, M Kron 2, S Sander 2, AR Franz 3
  • 1Universitäts–Kinderklinik, Ulm
  • 2Biometrie und Medizinische Dokumentation, Universität Ulm, Ulm
  • 3Universitätsklinik Zentrum f. Kinderheilkunde, Bonn

Hintergrund: Sowohl intrauterine als auch postnatale Wachstumsretardierung waren in früheren Studien als Risikofaktoren für eine eingeschränkte neurokognitive Entwicklung beschrieben worden. Studienziel:

Den Einfluss des Wachstums während der drei Zeitspannen 1.) in utero, 2.) initiale stationäre Behandlung und 3.) nach Entlassung auf die neurokognitive Entwicklung von VLBW-FG zu untersuchen. Methodik: Alle 363 überlebenden VLBW-FG, die von 07/1996–06/1999 in Ulm erstversorgt worden waren, wurden im korrigierten Alter von 5,7±0,6 Jahren systematisch mithilfe der Kaufmann Assessment Battery for Children (K-ABC) untersucht. Gewicht (Gew) und Kopfumfang (KU) wurden zu den Zeitpunkten Geburt (G), Entlassung (E) und Nachuntersuchung (NU) gemessen und der jeweilige z-Score bestimmt. Als Zielgröße wurde der mithilfe der K-ABC ermittelte IQ untersucht. Mithilfe multipler linearer und logistischer Regression wurden die relevanten Einflussgrößen auf den IQ (als stetiges Merkmal) und auf das Vorliegen eines IQ-Defizits (definiert als IQ<71) aus den folgenden Risikofaktoren ermittelt: Gestationsalter bei G, intraventrikuläre Blutung (IVH) >2°, zystische periventrikuläre Leukomalazie (PVL), Frühgeborenenretinopathie (ROP) >2°, mechanischer Beatmungbedarf, prolongierte mechanische Beatmung (pMV) für >6 Tage, Mehrlingsschwangerschaft, mütterliche Bildung, sowie die folgenden Wachstumsparameter: z-Score für Gew und KU bei G, die Differenz (z-Scores bei E minus z-Score bei G) und (z-Score bei NU minus z-Score bei E) jeweils für Gew und KU. Ergebnisse: 311 (86%) der überlebenden VLBW-FG wurden untersucht. Die multiple lineare Regression zeigte, dass IVH>2° (p<0,01), ROP>2° (p=0,02), PVL (p<0,01), pMV >6Tage (p<0,01), mütterliche Bildung (p<0,01), und ein z-Score für das Gewicht bei G <-2 (p=0,01) relevante Einflussfaktoren auf den IQ im Alter von 5,7 Jahren waren (r2=0,40).

In der multiplen logistischen Regressionsanalyse waren pMV >6Tage (OR 23,7 [6,7–83,6] p<0,001), geringe mütterliche Bildung (OR 3,3 [1,2–9,0] p=0,02], und die Differenz z-Score für den KU bei NU – z-Score für den KU bei E (OR 0,7 [0,5–1,0] p=0,03) mit einem IQ<71 assoziiert (c=0,89). Zusammenfassung: Sowohl Parameter für intrauterines Wachstum (z-Score für Gew bei G) als auch für Wachstum nach Entlassung (z-Score für KU bei NU minus z-Score bei E) waren mit dem neurokognitiven Ergebnis im Alter von 5,7 Jahren assoziiert. Allerdings war der Einfluss im Verhältnis zu dem Einfluss der anderen perinatalen Riskofaktoren gering. Die Assoziationen sowohl der mütterlichen Bildung als auch des Wachstums nach Entlassung mit dem IQ könnten darauf hinweisen, dass Interventionsprogramme nach Entlassung das neurokognitive Ergebnis verbessern könnten.