Z Geburtshilfe Neonatol 2007; 211 - FV71
DOI: 10.1055/s-2007-983045

Intravenöse Gabe von Clonidin zur Therapie von Entzugssymptomen bei 0–24 Monate alten Kindern nach herzchirurgischen Eingriffen

A Pohl-Schickinger 1, M Hübler 2, M Redlin 3, F Berger 4, B Stiller 4
  • 1Neonatologie, Charité-Campus Virchow Klinikum, Berlin
  • 2Kardiochirurgie, Deutsches Herzzentrum Berlin, Berlin
  • 3Anästhesie, Deutsches Herzzentrum Berlin, Berlin
  • 4Abteilung für angeborene Herzfehler, Deutsches Herzzentrum Berlin, Berlin

Hintergrund: Eine mehrtägige Analgosedierung im postoperativen Verlauf nach herzchirurgischen Operationen ist bei komplexen Vitien selten, manchmal aber zur Gewährleistung der hämodynamischen Stabilität erforderlich. Bei Reduktion der Analgosedierung kann es zu Entzugssymptomen wie Hypertension, Tachykardie, Unruhe, Fieber und Nahrungsunverträglichkeit kommen. Clonidin, ein selektiver a-2 Adrenorezeptor-Agonist, besitzt antihypertensive, analgetische und sedative Eigenschaften. Es findet in der Pädiatrie Anwendung bei der Prämedikation, Regionalanästhesie und postoperativen Analgesie. Über die Behandlung von Entzugssymptomen mit kontinuierlicher Gabe von intravenösem Clonidin ist bei Säuglingen und Kleinkindern bisher wenig bekannt.

Fragestellung: Ist die intravenöse Dauerzufuhr von Clonidin bei 0–24 Monate alten Kindern, die nach herzchirurgischer Operation eine mehrtägige Analgosedierung benötigen, sicher und geeignet die nachfolgenden Entzugssymptome zu behandeln? Patienten und Methodik: Zwischen 01/2003 und 12/2005 wurden am Deutschen Herzzentrum Berlin 540 herzchirurgische Eingriffe bei Kindern im Alter von 0–24 Monaten durchgeführt. 50 (9%) erhielten postoperative eine mehrtägige Analgosedierung (Midazolam und Fentanyl) und wurden wegen Entzugssymptomatik mit Clonidin in einer Dosierung von 0,1–0,3µg/kg/min behandelt. Die Krankenakten dieser Patienten wurden bezüglich Diagnose, Operation, post-operativem Verlauf und Analgosedierung ausgewertet. Vor und an den Tagen der Behandlung mit Clonidin wurden Mittelwerte von Herzfrequenz, mittlerem arteriellen Blutdruck, Körpertemperatur, Nahrungszufuhr sowie des Bedarfs an Analgetika und Sedativa erhoben. Diese Werte wurden unter Verwendung des nicht- parametrischen Wilcoxon Tests mit den Werten 2–4 Stunden vor Beginn der Therapie verglichen. Minimale Herzfrequenz und Herzrhythmus während der gesamten Zeit der Clonidin-Therapie wurden dokumentiert.

Ergebnisse und Diskussion: Bei 50 (32m und 18 w) Kindern mit einem durchschnittlichen Alter von 6,2 (±4,5) Monaten wurde 5,3 (±4,3) Tage nach kardiochirurgischem Eingriff wegen Entzugssymptomen mit intravenösem Clonidin begonnen und für 3,7 (±3,3) Tage behandelt. Clonidin verursachte eine signifikante Abnahme (Normalisierung) von entzugsbedingt erhöhtem Blutdruck, Herzfrequenz und Körpertemperatur. Unter Clonidin-Gabe konnten Midazolam, Fentanyl und andere Opioide signifikant reduziert werden, die Therapie mit nicht-opioiden Schmerzmitteln war nicht beeinflusst. Die Nahrungszufuhr stieg signifikant an. Es gab kein Neuauftreten von Herzrhythmusstörungen, insbesondere keine AV-Blockierungen, welche als Nebenwirkung von Clonidin beschrieben sind. Schlussfolgerung: Die intravenöse Gabe von Clonidin bei 0–24 Monate alten Kindern nach herzchirurgischem Eingriff lindert die Symptome des Entzugs, ermöglicht die rasche Reduktion der Analgosedierung und zeigt keine negative hämodynamische Beeinflussung.