Gesundheitswesen 2007; 69 - V54
DOI: 10.1055/s-2007-982837

Verkürzte Zahnreihe

T Kerschbaum 1
  • 1Vorklinische Zahnheilkunde, Köln Lindenthal

Die verkürzte Zahnreihe (VZR) ist definiert als ein von distal reduzierter Zahnbogen, der bis zum zweiten Prämolaren reicht; er besteht aus 10 okkludierenden Zahnpaaren und weist eine vollständige Frontbezahnung auf. Bei extrem verkürzter Zahnreihe verbleiben nur noch die Frontzähne (6 Okklusionspaare).

Molaren sind epidemiologisch häufiger und gravierender durch Karies und parodontale Erkrankungen geschädigt. Damit reduziert sich die Zahl der Restzähne mit zunehmendem Alter. Man weiß aus epidemiologischen Untersuchungen, dass ein nicht geringer Teil der Erwachsenen der Altersgruppe der 35–44Jährigen mit einer mehr oder weniger ausgeprägten VZR ausgestattet sind. Nur ein Teil ist prothetisch versorgt.

Die prothetische Versorgung einer VZR hat folgende Optionen:

  • Ein- oder beidseitige Freiendprothese mit unterschiedlich aufwändiger Verankerung am Restgebiss

  • Extensions- oder Freiendbrücke

  • Verbundbrücke auf Implantaten oder

  • Rein implantatgetragene Brücke bzw. implantatgestützte Einzelkronen

  • Nihil (keine prothetische Versorgung)

Letztere Option geht vor allem auf A.F. Käyser zurück, der als einer der ersten die Frage stellte, ob das prothetische Dogma, dass alle fehlenden Zähne ersetzt werden müssen, zurecht besteht.

Folgende Probleme können mit der VZR bei fehlender Abstützung im Molarenbereich assoziiert sein:

  • Parodontaler Zusammenbruch und Überlastung der Restzähne; dieser kann zur Wanderung, Elongation und Auffächerung der Frontzähne, verstärktem Tiefbiss, letztlich also zum Zusammenbruch der Okklusion führen.

  • Der Funktionszustand der Kiefergelenke und Kaumuskulatur kann infolge der schlechteren Abstützung durch die Zähne ungünstig beeinflusst werden; als Folge können Dysfunktion und Beschwerden (CMD) registriert weren.

  • Unzureichende Ernährung durch mangelndes Kauvermögen.

Die möglichen Auswirkungen führten in vielen zahnärztlichen Versorgungssystemen zur Forderung, alle Zähne zu ersetzen; schließlich wurde daraus ein Dogma der Prothetik, mit der Folge, dass jeder Stützzonenverlust im Molarenbereich durch Zahnersatz behandelt werden sollte. Klinische Beobachtungen und eine zunehmende Anzahl von Forschungsergebnissen haben dazu geführt, dass die Notwendigkeit von Zahnersatz im Molarenbereich nur teilweise belegt werden konnte.