Diabetologie und Stoffwechsel 2007; 2 - P375
DOI: 10.1055/s-2007-982470

Transfer junger Patienten aus der pädiatrischen Diabetologie in die Erwachsenenmedizin – eine Herausforderung

M Lösch-Binder 1, R Hub 1, E Serra 1, S Ehehalt 1, MB Ranke 1, A Neu 1
  • 1Universitätsklinikum Tübingen, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Tübingen, Germany, Tübingen, Germany

Fragestellung: Der Übergang in die Erwachsenenmedizin ist für Patienten mit Diabetes mellitus ein kritischer Lebensabschnitt. Mithilfe einer prospektiven Studie sollte analysiert werden, welche konkreten Schwierigkeiten sich beim Transfer in die Erwachsenenmedizin ergeben und welche Konsequenzen daraus für die pädiatrische Betreuung und für die Betreuung dieser Patientengruppe in der Erwachsenenmedizin resultieren.

Methodik: Zwischen 1998 und 2006 wurden insgesamt 68 Patienten (zum Transferzeitpunkt mittleres Alter 21,8 Jahre, mittlere Diabetesdauer 12,1 Jahre) einer pädiatrischen Schwerpunktambulanz in die Studie eingeschlossen. Die Basisinformationen resultierten aus dem Betreuungsjahr vor Übertritt in die Erwachsenenmedizin. Ein erster Fragebogen wurde an die Patienten drei Monate nach dem letzten Ambulanzbesuch in der pädiatrischen Schwerpunkteinrichtung verschickt. Von diesem Zeitpunkt an wurden die Patienten in jährlicher Folge erneut befragt.

Ergebnisse: Drei Monate nach Transfer lag die Rücklaufquote bei 70,3%, ein Jahr nach Transfer bei 53,2%, in den folgenden Jahren war die Rücklaufquote kontinuierlich rückläufig. Insgesamt liegen von 66,1% der Patienten ein oder mehrere Rückmeldungen vor. Anlaß für den Wechsel in die Erwachsenenmedizin waren zu gleichen Teilen der Wunsch des Patienten und/oder die Initiative der seitherigen Therapeuten. In den Jahren nach Transfer wechseln 39% der Patienten (mindestens 1x, maximal 3x) die Therapieeinrichtung in der Erwachsenenmedizin. Während unmittelbar nach Transfer viele Patienten in einer Klinik mit Diabetesambulanz (60%) oder einer Schwerpunktpraxis (24,4%) betreut werden, nehmen diese Prozentanteile in den folgenden Jahren kontinuierlich ab, so dass nach fünf Jahren nahezu die Hälfte der Patienten in internistischen Praxen (16,7%) oder in allgemeinmedizinische Praxen (33,3%) betreut werden. Der mittlere HbA1c-Wert der Patienten, die weiterverfolgbar waren, lag zum Transferzeitpunkt bei 7,62 (SD±1,0%). Ein Jahr nach Transfer lag der mittlere HbA1c-Wert dieser Patienten bei 7,7 (SD±1,1%), in den Folgejahren zeigt sich ein Trend zur kontinuierlichen Verbesserung auf letztendlich 7,05% (SD±0,4%) nach fünf Jahren.

Schlussfolgerung: Der Übergang in die Erwachsenenmedizin ist für die Betroffenen ein kritischer Lebensabschnitt und damit eine Herausforderung für alle Beteiligten. Weil dieser Prozess mit Verunsicherung und Instabilität verbunden ist, sollte er dann eingeleitet werden, wenn somatische und psychosoziale Entwicklungsprozesse abgeschlossen sind. Die Stoffwechseleinstellung, die in der pädiatrischen Diabeteseinrichtung erzielt wurde, ist richtungsgebend für den weiteren Verlauf. Im jungen Erwachsenenalter zeigt sich ein Trend weg von der hochspezialisierten, hin zur Betreuung mit persönlicher Bindung.