Diabetologie und Stoffwechsel 2007; 2 - P199
DOI: 10.1055/s-2007-982294

Konnataler Diabetes/Diabetesbeginn in den ersten 6 Lebensmonaten: Auswertung der Patienten mit Kir 6.2-Mutation und UPD6 in der DPV-Wiss-Datenbank

J Grulich-Henn 1, V Wagner 2, A Thon 3, E Schober 4, W Marg 5, TM Kapellen 6, H Haberland 7, SM Geist 8, A Hattersley 9, RW Holl 10
  • 1Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Abteilung 1, Heidelberg, Germany
  • 2Universität zu Lübeck, Kinder- u. Jugendmedizin, Lübeck, Germany
  • 3Kinderklinik der Med. Hochschule Hannover, Hannover, Germany
  • 4Univ. Kinderklinik, Wien, Austria
  • 5Prof. Hess-Kinderklinik Bremen, Bremen, Germany
  • 6Univ.-Kinderklinik Leipzig, Leipzig, Germany
  • 7Krankenhaus Lichtenberg, Kinderklinik Lindenhof, Berlin, Germany
  • 8Kinderklinik Westpfalzklinikum, Kaiserslautern, Germany
  • 9Institute of Biomedical and Clinical Science, Peninsula Medical, Exeter, United Kingdom
  • 10Institut für Epidemiologie, AG Computergestütztes Qualitätsmanagement in der Medizin, Ulm, Germany

Fragestellung: Der Typ-1-Diabetes dominiert zahlenmäßig in der Pädiatrie (ca. 96%). Bisher wurden in der Regel alle insulin-pflichtigen Diabetespatienten dem Typ-1 zugeordnet. Der neonatale Diabetes unterscheidet sich jedoch grundsätzlich vom Typ-1-Diabetes, in den letzten Jahren konnte die molekulare Pathogenese für viele Patienten mit Diabetesbeginn in den ersten Lebensmonaten aufgeklärt werden. Aufgrund der bekannten Vorverlagerung des Diabetesbeginns bei Typ-1-Patienten ist die Abgrenzung zu genetisch bedingten Formen des neonatalen Diabetes zunehmend relevant.

Methodik: Daten der DPV-Wiss-Initiative, Stand Oktober 2006. In die Auswertung eingeschlossen wurden Patienten mit einem Diabetesbeginn in den ersten 6 Lebensmonaten, die im Jahr nach der Manifestation in der DPV-Datenbank dokumentiert wurden. Insgesamt umfasst die DPV-Datenbank aktuell 97975 Patienten, davon 38861 mit einem Diabetesbeginn vor dem 18. Lebensjahr. 250 Zentren aus Deutschland und Österreich beteiligen sich an der Datenerfassung.

Ergebnisse: 53 Patienten erfüllten die Einschlusskriterien. Bei 10 Patienten wurden B-Zell-Antikörper bei Manifestation oder im Verlauf nachgewiesen, so dass hier der Typ-1-Diabetes gesichert ist. Bei 4 Patienten ist eine Pankreas-Hypoplasie/-Aplasie, oder eine Pankreatektomie bei PHHI (n=2) als Ursache dokumentiert. Bei 3 Patienten wurde eine uniparenterale Disomie am Chromosom 6 bzw. ein entsprechender Methylierungsdefekt molekularbiologisch gesichert (1 Junge, 2Mädchen, HbA1c im Mittel 5,4%, mittleres Diagnosealter 6 Tage). Bei 4 Patienten konnte eine Mutation im Kir6.2-Gen gesichert werden (alle männlich, HbA1c im Mittel 7,1%, mittleres Diagnosealter 8 Wochen, alle Patienten wurden initial mit Insulin behandelt). Bei einem weiteren Patienten wurde eine Frühgeburtlichkeit als Ursache für den neonatalen Diabetes angegeben, bei 2 weiteren Patienten war die Diabetesform transient. Bei 17 weiteren Patienten (11 Jungen, 6Mädchen, Manifestationsalter im Mittel 8 Wochen, HbA1c im Mittel 7,6%) konnte die Ursache des Diabetes bisher nicht geklärt werden.

Schlussfolgerung: Insgesamt ist ein Diabetesbeginn in den ersten 6 Lebensmonaten selten (53 von 38861 dokumentierten Patienten, 0,13%). In dieser Altersspanne ist aber der Typ-1-Diabetes selten (19% der Patienten hatten B-Zell-AK), so dass aufgrund des sehr unterschiedlichen Verlaufs und der Behandlungsmöglichkeit mit Sulfonylharnstoffen bei Kir6.2-Mutationen bei unklarer Diabetesgenese dringend zu einer zytogenetischen/molekularbiologischen Diagnostik (UPD6, Kir 6.2/KCNJ11, ABCC8, Glukokinase etc) geraten wird. Große Datenbanken erlauben es, die Information über seltene Diabetesformen zusammenzuführen.