Diabetologie und Stoffwechsel 2007; 2 - P159
DOI: 10.1055/s-2007-982254

Stoffwechselerkrankungen bei jüdischen Kontingentflüchtlingen und deutschen Spätaussiedlern

S Fischer 1, W Korenblum 1, SR Bornstein 1
  • 1Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der TU Dresden, Medizinische Klinik und Poliklinik III, Dresden, Germany

Ziel: Ziel der Untersuchungen war es, Häufigkeit und Ausprägung von Stoffwechselerkrankungen bei Einwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion und deren Nachfolgestaaten zu untersuchen, die jetzt in Deutschland leben. Bisher gibt es nur wenige Daten zum Gesundheitszustand dieser Emigranten.

Methodik: Es wurden bei 1009 jüdischen Kontingentflüchtlingen (mittl. Alter 51,7 Jahre) und 204 deutschen Spätaussiedlern („Russlanddeutschen“) (mittl. Alter 37,1 Jahre) die Häufigkeiten von Diabetes mellitus (sowohl Typ 1 als auch Typ 2) und Hypercholesterinämie erfragt und mit den Daten von 5054 Einheimischen verglichen. Bei einem Teil der Personen (622 jüdische Kontingentflüchtlinge, 68 Russlanddeutsche und 1086 Einheimische) wurden die Lipidparameter (Gesamtcholesterin, Trglyceride, HDL-C und LDL-C) nüchtern gemessen. Die Gewichtsklassifikation erfolgte mittels Berechnung des BMI. Alle untersuchten Personen sind Patienten einer Allgemeinärztlichen Praxis in Düsseldorf.

Ergebnisse: Bei 6,5% der jüdischen Kontingentflüchtlinge, bei 2,5% der Russlanddeutschen und bei 5,1% der Einheimischen war ein Diabetes mellitus bekannt. Eine Hypercholesterinämie wurde von 38,4% der jüdischen Kontingentflüchtlinge, 27,9% der deutschen Spätaussiedler und 22,9% der Einheimischen angegeben. Die Gesamtcholesterin- und LDL-C-Werte waren bei den Einwanderern ab dem Altersbereich 40–49 Jahre höher als bei den Einheimischen. Die mittleren Gesamtcholesterin- und LDL-C-Werte stiegen in allen 3 Gruppen bis zu einem Altersbereich von 60–69 Jahren an und sanken in den Gruppen der deutschen Spätaussiedler und der Einheimischen ab dem 70. Lebensjahr wieder. Bei den jüdischen Kontingentflüchtlingen nahmen die LDL-C-Werte bereits vom 60. Lebensjahr an wieder ab. Auch die Triglyzeridwerte stiegen in allen Gruppen mit dem Alter an. Ab dem Altersbereich 50–59 Jahre lagen die Triglyzeridwerte bei den Einwanderern um 10% höher als bei den Einheimischen. Die höchsten BMI-Mittelwerte wiesen, sowohl in der Gesamtgruppe als auch bei Männern und Frauen, die jüdischen Kontingentflüchtlinge auf, während die Einheimischen am niedrigsten lagen (Mittelwerte BMI: jüdische Kontingentflüchtlinge 27,0, deutsche Spätaussiedler 25,9, Einheimische 24,7kg/m2).

Diskussion: Der Diabetes war bei jüdischen Kontingentflüchtlingen etwas häufiger bekannt als bei Einheimischen. Die niedrige Frequenz bei den Russlanddeutschen kann Folge des niedrigeren Alters, aber auch einer schlechteren medizinischen Versorgung in ihren Herkunftsländern und infolgedessen einer großen Zahl nichtentdeckter Diabetiker sein. Fettstoffwechselstörungen kamen bei jüdischen Kontingentflüchtlingen und deutschen Spätaussiedlern häufiger vor als bei Einheimischen. Deshalb muss diese Personengruppe bezüglich des Vorliegens von Stoffwechselkrankheiten sorgfältig diagnostiziert und ggf. therapiert werden.Ursachen dafür sind in erster Linie eine Fehl- und Überernährung, wie auch die höheren BMI-Werte zeigen.