Diabetologie und Stoffwechsel 2007; 2 - P111
DOI: 10.1055/s-2007-982206

Diabetes und Migranten – Beruflicher Status, medizinische Aspekte und psychische Belastung

H Fischer 1, B Jolivet 2
  • 1Klinik Rosenberg, Bad Driburg, Germany
  • 2Institut für Reha-Forschung, Norderney, Germany

Einleitung: Rehabilitation bei Stoffwechsel-Patienten behandelt insbesondere psychosoziale Belastungsbereiche wie umweltbezogene und personelle Kontextfaktoren, die die Krankheitsauswirkungen beeinflussen können. Wir haben untersucht, ob der Migranten-Status bei unseren Patienten mit besonderen Belastungen einhergeht.

Methodik: Seit 01.01.2006 wird (nach den Vorgaben der DDG) neben demographischen und diabetesspezifischen Parametern der Migranten-Status bei jedem Diabetiker dokumentiert. Weitere Datenbasis ist eine standardisierte Reha-Dokumentation (Megaredo), die bei allen Rehabilitanden prospektiv erhoben wird. Daten von Migranten mit Diabetes aus dem Jahre 2006 wurden mit denen deutscher Diabetiker verglichen.

Ergebnisse: Von 722 behandelten Diabetikern waren 136 (19%) Migranten. Geschlecht (71% Männer) und Alter (53 Jahre) waren zwischen Deutschen und Migranten nicht unterschiedlich. Die Kommunikationsfähigkeit war bei Migranten öfter fraglich oder schlecht (27 vs. 6% bei Deutschen). Die Arbeitslosenquote war mit ca. 21% in beiden Gruppen gleich hoch. Der Anteil ungelernter Arbeiter war bei Migranten mit 62% deutlich höher als bei deutschstämmigen Diabetikern (30%). Arbeitsunfähig vor Aufnahme waren 49% der Migranten versus 36% der Deutschen (p<0,01), bei Entlassung hatte sich die ärztliche Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit auf 25% in beiden Gruppen angeglichen.

Diabetes Typ 1 (5%) bzw. pankreopriver Diabetes (2%) waren bei Migranten seltener als bei Deutschen (12 bzw. 7%). Vergleichbar in beiden Gruppen waren Body-Mass-Index (33,6 vs. 32,6kg/m2), HbA1c (7,3 vs. 7,5%) sowie Folge- und Begleitkrankheiten (Neuro-, Nephro-, Retinopathie, Hypertonus, KHK, Dyslipidämie). Migranten waren bisher nur zu 52% geschult worden, deutsche Diabetiker zu 72%. Bei Typ 2 Diabetes waren Migranten gleich oft insulintherapiert mit gleichem Anteil an Patienten mit selbstständiger Dosisanpassung wie Deutsche.

Bezüglich der psychischen Scores (Angst, Depression, Krankheitsbelastung, Reha-Bedürftigkeit nach IRES) konnten wir in allen Dimensionen bei Migranten eine deutlich erhöhte subjektive Belastung nachweisen. Bei Aufnahme bezeichneten 66% der deutschstämmigen Diabetiker ihren Gesundheitszustand als weniger gut oder schlecht. Dies waren bei Migranten 80% (p<0,01). Dieser Unterschied hatte sich zum Entlassungszeitpunkt ausgeglichen (sehr gut/gut 30 vs. 22, weniger gut/schlecht 22 vs. 29%).

Diskussion: Ein Prozentsatz von nahezu 20% Migranten bei unseren Diabetikern ist beachtlich. Die rein medizinischen Parameter (Diabetesstoffwechsellage, Therapie und Folgekrankheiten) unterscheiden sich zwischen Migranten und Deutschen nicht. Migranten haben einen besonders hohen Anteil ungelernter Arbeiter und mehr als 1/4 sind in ihrer Kommunikationsfähigkeit eingeschränkt. Die psychischen Belastungsfaktoren wie Angst und Depression unterstreichen noch die erhöhte Reha-Bedürftigkeit (Schmerz, Burnout, berufliche Sorgen) und bedürften ggf. spezieller Programme.