Viszeralchirurgie 2007; 42(5): 332-333
DOI: 10.1055/s-2007-981264
Das viszeralchirurgische Prüfungsgespräch

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Der Mammarundherd

The Suspicious Mammarian LesionA. Günthert1
  • 1Univ.-Frauenklinik der Georg-August-Universität Göttingen
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Publication Date:
04 October 2007 (online)

1. Es stellt sich Ihnen eine 52-jährige Patientin mit seit 2 Wochen bestehender blutiger Mamillensekretion linksseitig vor. Die Inspektion ist unauffällig, die Palpation bestätigt die Sekretion, allerdings ohne abgrenzbaren Tastbefund. Welche Verdachtsdiagnose haben Sie und welche Maßnahmen veranlassen Sie?

Es sollte zunächst die bildgebende Abklärung durch Mammografie, Mammasonografie und nach Möglichkeit durch Galaktografie erfolgen. Danach kann zumeist bereits eine Verdachtsdiagnose hinsichtlich Karzinom oder Milchgangspapillom formuliert werden.

Anschließend muss die Sekretion in jedem Fall operativ durch die Methode nach Urban abgeklärt werden. Dies geschieht in der Regel durch eine offene Biopsie nach Injektion von Methylenblau in den sezernierenden Milchgang und Präparation und Resektion des blau gefärbten Milchganges mit dem angrenzenden Brustdrüsensegment vom Areolarand aus.

2. Eine 48-jährige Patientin stellt sich mit Fieber und einseitig geröteter Brust vor. Eine vor sechs Monaten durchgeführte Mammografie war unauffällig gewesen. Wie gehen Sie weiter vor?

Zunächst ist von einer Mastitis nonpuerperalis auszugehen. Die Mammasonografie kann helfen eine Abszessbildung auszuschließen. Es sollte eine konservative antibiotische Therapie mit z. B. Clindamycin und zusätzlich Bromocriptin begonnen werden. Kommt es darunter innerhalb weniger Tage nicht zur deutlichen Rückbildung der Rötung so ist unbedingt eine weitere Abklärung inklusive Biopsie zum Ausschluss eines inflammatorischen Mammakarzinoms erforderlich.

3. Eine 22-jährige Patientin mit einem ca. zwei Zentimeter großen mobilen Tastbefund der Mamma, sonografisch homogen mit Schallschatten und gut abgrenzbar, möchte den Befund nicht operativ abklären lassen. Wie beraten Sie die Frau?

Hier besteht der Verdacht auf ein Fibroadenom. Allerdings muss die Frau darüber informiert werden, dass durchaus auch ein maligner Tumor dafür infrage kommt. Weiterhin kann eine Wachstumstendenz bestehen und ein eventuell später durchgeführter Eingriff kann kosmetisch ein ungünstigeres Ergebnis mit sich bringen. Eine operative Abklärung sollte angeraten werden, ansonsten wäre eine kurzfristige Kontrolle des Befundes durch klinische Untersuchung und Heranziehung der bildgebenden Verfahren nach drei Monaten vertretbar.

4. Bei einer 35-jährigen Frau mit relativ kleinen Mammae wurde durch Stanzbiopsie ein ca. fünf Zentimeter großes invasiv duktales Mammakarzinom links über zwei Quadranten gesichert. Der Tumor ist zeigt sich an die Brustwand fixiert. Zudem tasten Sie in der ipsilateralen Axilla zwei deutlich vergrößerte Lymphknoten. Die Umfelduntersuchungen ergeben keinen Anhalt für eine Metastasierung des Tumors. Wie gehen Sie weiter vor?

Hier besteht eine klassische Indikation zur primären systemischen Therapie, zumal es unwahrscheinlich ist, dass der Tumor mit ausreichendem Sicherheitsabstand im Gesunden reseziert werden kann. Auch die Lymphknotenvergrößerung unterstützt diese Vorgehensweise.

Empfehlenswert ist daher die neoadjuvant systemische Therapie mit einem Anthrazyklin- und Taxan-haltigem Schema. Das Ansprechen der Therapie sollte in Intervallen engmaschig metrisch evaluiert werden. Die operative Sanierung, in diesem Fall durch Mastektomie und axilläre Lymphonodektomie, erfolgt in der Regel nach vier bis acht Zyklen Chemotherapie. Da der ursprüngliche Tumor sich über zwei Quadranten erstreckt ist auch nach deutlicher Remission nach Chemotherapie die Mastektomie als sicheres Verfahren der brusterhaltenden Operation vorzuziehen.

5. Bei einer 52-jährigen Patientin wurde links oben außen ein elf Millimeter großes, mäßig diferenziertes, nicht tastbares Mammakarzinom aus einem Herd mit Mikrokalk gesichert. Der Befund lässt sich sonografisch und mammografisch gut abgrenzen. Wie sieht die weitere operative Planung aus?

Da der Befund nicht tastbar ist sollte für die offene Biopsie eine präoperative sonografisch gesteuerte Drahtmarkierung mit Mammografiekontrolle erfolgen. Weiterhin sollte bei kleinem Karzinom der Patientin die Methode der Sentinal-Node-Biopsie mit Technetium und / oder Patentblau mit intraoperativer Schnellschnittuntersuchung angeboten werden. Intraoperativ kann zur Sicherheit eine Präparateradiografie die korrekte Entnahme des Mammabefundes, insbesondere bei vorhandenem Mikrokalk, bestätigen.

6. Bei einer in einem anderen Krankenhaus vor drei Wochen durchgeführten Operation wurde bei einer 59-jährigen Patientin linksseitig ein 2,5 cm großes mäßig differenziertes duktales Carcinoma in situ (DCIS) aus der rechten Brust entfernt. Die Sicherheitsabstände betragen an zwei Stellen zwei Millimeter, sonst über zehn Millimeter. Die Immunhistochemie ergab eine positive Expression für Östrogen- und Progesteronrezeptoren. Wegen einem Umzug möchte Sie nun bei Ihnen weiterbehandelt werden. Wie gehen Sie weiter vor?

Es sollte eine Nachresektion an den beiden Ebenen mit geringem Sicherheitsabstand erfolgen. Gefordert wird beim DCIS ein Sicherheitsabstand von zehn Millimetern. Sollte in den Nachresektaten keine weiteren DCIS-Anteile enthalten sein, so wäre postoperativ die Bestrahlung indiziert und eine adjuvante Therapie mit Tamoxifen über fünf Jahre.

7. Bei einer 42-jährigen Patientin wurde durch Quadrantektomie ein Mammakarzinom rechts oben außen im Gesunden reseziert. Die Sentinel-Node-Biopsie der gleichen Seite ergab zwei Lymphknoten ohne Malignität. Bei voluminösen Mammae wurde in gleicher Sitzung beidseits eine Reduktionplastik vorgenommen. In dem unteren inneren Quadranten der rechten Mamma, der im Rahmen der Reduktion entnommen wurde, fand sich nun nach histologischer Aufarbeitung ein weiteres 5 mm großes Karzinom. Dieses wurde mit einem Sicherheitsabstand von mehr als fünf Millimeter allseits im Gesunden entfernt. Wie gehen Sie vor?

Da es sich nun histologisch erwiesen um ein multizentrisches Karzinom handelt, wäre der Patientin dringend die sekundäre Mastektomie rechts zu empfehlen. Die brusterhaltende Vorgehensweise ist hier nun kontraindiziert, auch wenn die Sicherheitsabstände vermeintlich ausreichen.

8. Bei einer Patientin erfolgte die brusterhaltende Operation mit Sentinel-Node-Biopsie bei einem zwei Zentimeter großen Mammakarzinom. Die Sentinel-Node-Biopsie ergab im Schnellschnitt intraoperativ drei Lymphknoten ohne Malignität. In der endgültigen Aufarbeitung beurteilt der Pathologe einen der Lymphknoten mit einer Mikrometastase von drei Millimetern Durchmesser. Wie gehen Sie weiter vor?

Eine Mikrometastase ist als ernst zu nehmende Lymphknotenmetastase zu werten, somit war dieser Lymphknoten im Schnellschnitt falsch negativ. Es sollte eine komplettierende axilläre Lymphonodektomie aus Level I und Level II erfolgen.

9. Bei einer 83-jährigen Patientin besteht ein gut mobiler Tastbefund der linken Mamma mit einem Durchmesser von ca. 2,5 cm bei Involutionsatrophie. Zudem besteht eine koronare Herzerkrankung, eine arterielle Hypertonie und ein Diabetes mellitus. Der Befund wurde durch Stanzbiopsie histologisch abgeklärt und ergab ein mäßig differenziertes invasiv duktales Mammakarzinom mit positiver Expression für Östrogen- und Progesteronrezeptoren. Sie selbst möchte nur ungern operiert werden und lehnt eine Bestrahlung grundsätzlich ab. Wie beraten Sie die Patientin?

Bei einem rezeptorpositiven Mammakarzinom im Alter ist der Nutzen der Operation umstritten. Auch die Bestrahlung ist nicht zwingend erforderlich. Eine Mastektomie zur Vermeidung eines Lokalrezidives und zur Vermeidung einer sonst empfehlenswerten Radiatio stellt zwar eine Option dar, muss aber nicht zwingend durchgeführt werden. Die Tumorexstirpation mit anschließender anti-östrogener Therapie mit einem Aromatasehemmer ist eine sichere Alternative, die zwar ein geringfügig erhöhtes Risiko für ein Lokalrezidiv mit sich bringt, aber keinen Einfluss auf das Überleben der Patientin über 80 Jahre hat. Sollte die Patientin die Operation ablehnen, so ist eine Therapie mit einem Aromatasehemmer ebenfalls sinnvoll. Hierbei kann eine lokale Kontrolle erfolgen und bei Progredienz des Tumors eine Operation zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, ohne dass sich die Prognose der Patientin verschlechtert. Die axilläre Lymphonodektomie spielt bei klinisch unauffälligen Lymphknoten im fortgeschrittenen Alter keine Rolle.

PD Dr. med. A. Günthert

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