Der Klinikarzt 2007; 36(4): 198
DOI: 10.1055/s-2007-980329
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Warum Diabetes und Niere?

Werner A. Scherbaum
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Publication Date:
02 May 2007 (online)

Warum haben wir uns entschlossen, in dieser Ausgabe des klinikarzt das Thema Diabetes zu platzieren, und warum gerade haben wir den Zusammenhang Diabetes und Niere aufgegriffen? Ganz einfach: weil das Thema „brennt”.

Derzeit leben in Deutschland etwa sechs Millionen Menschen mit einem bekannten Diabetes mellitus und weitere zwei Millionen, die nicht wissen, dass sie zuckerkrank sind. Damit nicht genug: Die steigende Lebenserwartung der Gesamtbevölkerung wird die Diabeteshäufigkeit in Zukunft noch weiter ansteigen lassen. Gleichzeitig verlagert sich momentan aber auch das Manifestationsalter des Typ-2-Diabetes in das mittlere (und jüngere) Erwachsenenalter. Die Schere geht auseinander: Die Lebenszeit mit Diabetes nimmt zu und damit auch das Risiko, diabetische Folgeschäden zu erleiden.

Früherkennung, primäre Therapie und Sekundärprophylaxe des Typ-2-Diabetes sind vornehmlich Aufgaben des Hausarztes. Die therapeutischen Grundelemente sind im Disease-Management-Programm (DMP) des Diabetes mellitus Typ 2 vorgegeben und so in über 90 % der Fälle erfolgreich.

Wichtig ist die leitliniengerechte, zielwertorientierte, multifaktorielle Therapie des Diabetes mellitus, die unter anderem eine Änderung des Lebensstils fordert, natürlich aber auch Maßnahmen, die eine Einstellung von Blutzucker, Hochdruck, Lipiden sowie eventuell eine Thrombozytenaggregationshemmung einschließen. Dieser multifaktorielle Ansatz ist ein essenzielles Grundelement der Behandlung des Typ-2-Diabetes. Das Mikroalbuminurie-Screening gehört obligat zu Verlaufskontrolle und Risikomanagement eines solchen Patienten. Denn eine Mikroalbuminurie ist die früheste in der Praxis relevante Form der diabetischen Nephropathie, und sie ist bereits ein kardiovaskulärer Hochrisikomarker. Zur Prophylaxe einer diabetischen Nephropathie spielt die normnahe Blutglukoseeinstellung eine dominierende Rolle.

In der Tat steigt die kardiovaskuläre Mortalität mit zunehmendem Verlust der Nierenfunktion dramatisch an. Die meisten Patienten mit diabetischer Nephropathie versterben, bevor sie das Stadium der terminalen Niereninsuffizienz erreichen. Therapeutischer Nihilismus ist hier aber fehl am Platze. Im Gegenteil: Die Prognose ist umso besser, je konsequenter die multifaktorielle Therapie erfolgt und je früher ein Nephrologe in die Behandlung mit eingebunden wird - das belegen die Ergebnisse der einschlägigen Studien ganz klar.

Mit zunehmender Niereninsuffizienz verlagert sich die Behandlung immer mehr in die Hände der Nephrologen und des Diabetologen, zumal in diesem Stadium eine differenzierte und individualisierte Therapie erforderlich ist, bei der sehr verschiedene fachspezifische Aspekte zu berücksichtigen sind, denen sich die verschiedenen Autoren in ihren Beiträgen in diesem Heft ebenfalls annehmen.

Das Stadium der terminalen Niereninsuffizienz wird zwar als ein „Endpunkt” angesehen. Gleichwohl geht es bei den betroffenen Patienten aber darum, durch eine adäquate Tertiärprävention - zum Beispiel in Form einer Nierentransplantation - kardiovaskuläre und urämische Komplikationen zu vermeiden und den Patienten ein hohes Maß an Lebensqualität zu verschaffen.

Prof. Dr. Werner A. Scherbaum

Düsseldorf (Gasteditor)

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