Endo-Praxis 2007; 1(1): 5
DOI: 10.1055/s-2007-980324
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Sedierung und kein Ende - wer soll, wer kann, wer darf?

Further Information

Publication History

Publication Date:
27 April 2007 (online)

Das Thema „Sedierung in der Endoskopie” ist unter dem Druck immer höherer Untersuchungszahlen, längerer Interventionen und einem erhöhten Anspruchsverhalten der Patienten eine aktuelle Problematik mit zunehmender Bedeutung. Gerade die vom Patienten wahrgenommene endoskopische Untersuchungsqualität, aber auch die sich entwickelnden konkurrierenden Methoden (Stichwort „virtuelle Endokopie”) rücken eine „sanfte” endoskopische Untersuchung in eine zentrale Position.

Besonders ist zu berücksichtigen, dass für die Durchsetzung von häufig durchgeführten Screeningverfahren wie der Vorsorgekoloskopie ausreichende Beteiligungsraten der Bevölkerung ohne Zusicherung einer adäquaten Sedierung nicht zu erreichen sind. Dies gilt auch dann, wenn der reine Patientenwunsch auf eine Sedierung geäussert wird und lange inhaltlich-thematische Diskussionen schon alleine aus Gründen der Ablaufkontinuität der Endoskopieeinheit nicht realistisch sind. Es darfauch nicht vergessen werden, dass eine Sedierung der Patienten ein zusätzliches Wettbewerbsargument der durchführenden endoskopischen Institutionen darstellt.

Intensiviert wird die Diskussion durch neue Studien zur Propofolsedierung und rechtliche Rahmenbedingungen ebenso wie durch die länderspezifisch völlig unterschiedlichen Vorgehensweisen im Umgang mit den verschiedenen Sedierungskonzepten.

Dies führte z.B. dazu, dass in einigen Ländern wie Frankreich endoskopische Untersuchungen nur dann mit Sedierung durchgeführt werden können, wenn Anästhesiepersonal die Sedierung überwacht. Dies verteuert die endoskopischen Untersuchungen und ist bei der in Deutschland schlechten Finanzierung endoskopischer Untersuchungen nicht umsetzbar.

Grundsätzlich ist zu beobachten, dass die Anzahl der endoskopierenden Institutionen, die ohne Sedierung Untersuchungen durchführen, in den letzten Jahren gegen null tendiert. Beispiele aus der Schweiz bestätigen dies auch im internationalen Vergleich (1990 untersuchten noch 25 % der Gastroenterologen ohne Sedativa, in 2003 waren dies unter 5 %).

Solche Veränderungen konnten nur stattfinden, da neben der obligaten Überwachung ein besseres Notfallmanagement stattfand und eine ausreichende bzw. sich erweiternde Auswahl an Medikamenten verfügbar war. Dies ist deshalb relevant, da der überwiegende Anteil der Komplikationen bei endoskopischen Untersuchungen durch die Sedierung mittelbar oder unmittelbar verursacht wird (kardiorespiratorische Komplikationen in bis zu 0.5 % der Sedierungen, Mortalität bis zu 0.05 %).

Hieraus ergibt sich die Frage, wie vor allem bei der sich immer mehr verbreitenden Sedierung mit Propofol das konkrete und rechtlich verbindliche Sedierungsmanagement aussehen soll. Dies ist bisher nicht geklärt und wird je nach Gesundheitssektor und Region unterschiedlich gehandhabt. Die Heterogenität der endoskopischen Versorgungseinheiten in Praxis und Klinik macht es jedoch notwendig, einen verbindlichen gemeinsamen Nenner zu definieren, der Sicherheitsaspekte der Patienten genauso berücksichtigt wie die Ausbildung des Endoskopiepersonals und der endoskopierenden ÄrztInnen sowie die Entwicklung neuer und mehr interventioneller Techniken.

Seit mehr als 10 Jahren wird neben dem bewährten Midazolam mit seinen Vor- (gute Verträglichkeit, rascher Wirkungseintritt, spezifische Antagonisierbarkeit, Amnesie) und Nachteilen (relativ lange Wirkdauer, paradoxe Reaktionen, rechtlich bindende Nachbeaobachtungszeit) Propofol als Sedativum eingesetzt. Eine Betäubung ist auch dann möglich, wenn mit der Kombination Benzodiazepin/Opiatanalgetikum keine Sedierung zu erreichen ist. Allerdings ist die therapeutische Breite von Propofol geringer, der Einsatz dieser Substanz erfordert einen erhöhten Personal- und Überwachungsaufwand, dem nicht alle Endoskopieeinheiten entsprechen.

Umstritten ist, ob nur ein Anästhesist dieses Präparat anwenden sollte. In Deutschland ist eine anästhesiologische Präsenz nicht zwingend erforderlich, allerdings muss ein Arzt mit intensivmedizinischer Erfahrung anwesend sein.

In den letzten Jahren haben mehrere Arbeitsgruppen das kurzwirksame Propofol für die Sedierung bei endoskopischen Eingriffen untersucht. Die Anwendung durch Endoskopiepersonal ist nach diesen Studien sicher, eine kurze postendoskopische Überwachungsphase führt zu einer schnelleren Entlassung aus der Endoskopieeinheit. Wie in der Zeit danach rechtsverbindlich gehandelt werden kann (Autofahren etc.), ist ungeklärt.

Ergänzend sei hier erwähnt, dass das Auftreten eines „Propofol-Infusionssyndroms” vor allem bei nur schweren Krankheitsbildern und hohen Dosierungen (über 5mg/kg/Stunde) auftritt und die prinzipiell hervorragende Verträglichkeit des Medikamentes in der Endoskopie bei Berücksichtigung der notwendigen Überwachungskriterien nicht tangiert. Die in der letzten Zeit aufgetretenen Fälle von bakteriellen Kontaminationen des Propofol sind auf fehlerhafte Lagerung zurückzuführen und nicht dem Medikament per se anzulasten.

Es ist zukünftig notwendig, die Sedierungskonzepte bei endoskopischen Untersuchungen in Deutschland besser zu definieren und verbindlicher zu regeln.

Die Sektion Endoskopie der DGVS wird sich 2007 ausführlich mit dem Thema Propofol-Sedierung beschäftigen und hat Rechtsgutachten beauftragt, die die aktuelle Situation klären sollen. Geplant ist die Erstellung einer notwendigen Leitlinie zu diesem Thema und die Diskussionen mit der anästhesiologischen Fachgesellschaft.

Zunehmend widmen sich auch endoskopische Fortbildungsmaßnahmen vermehrt dem Thema Sedierung. So ist im Rahmen des GATE-Konzepts der Sektion Endoskopie für endoskopische Trainingskurse ein Ausbildungsmodul Sedierung und Notfallmanagement vorgesehen.

In Zukunft wird es immer mehr darauf ankommen, dass selbst bei vermehrter Anwendung von Sedativa während endoskopischer Untersuchungen die Endoskopieeinheit/Praxis alle Rahmenbedingungen für eine professionelle Anwendung bereitstellt, überprüft und immer wieder erneuert. Die gilt für regelmässige Schulungen des gesamten Endoskopiepersonals in Notfallsituationen ebenso wie für die relevante Überwachungszeit postinterventionell. Nur dann ist die subjektive Empfindung und Einstellung der Patienten zur Untersuchung mit der objektivierbaren medizinischen Situation in Übereinstimmung zu bringen.

Prof. Dr. med. S. RossolM.Sc.

    >