OP-Journal 2003; 19(2): 118-126
DOI: 10.1055/s-2007-977623
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Versorgung von hämodynamisch stabilen, mechanisch instabilen Verletzungen einschließlich Sakroiliakalgelenk

Jochen Pressmar, Lothar Kinzl, Michael Robindra Sarkar
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Publication Date:
12 April 2007 (online)

Zusammenfassung

Beckenfrakturen sind meist Folge einer massiven Gewalteinwirkung, die häufig über zusätzliche Weichteilschäden und Begleitverletzungen zu kreislaufinstabilen Situationen führen. Dies verhindert nicht selten die wünschenswerte frühe endgültige Stabilisierung der Fraktur, weshalb Fixateur externe oder Beckenzwinge zum Einsatz kommen. Die definitive operative Stabilisierung sollte möglichst innerhalb der ersten zwei Wochen nach dem Unfall, aber nur bei stabilen Kreislaufverhältnissen erfolgen. Bis dahin muss Klarheit über das Verletzungsmuster, insbesondere die Klassifikation und damit Stabilität der Fraktur, bestehen: Stabile Frakturen (Typ A) stellen in der Regel keine Op-Indikation dar, rotationsinstabile Verletzungen des vorderen Beckenrings mit intakten dorsalen sakroiliakalen Bändern (Typ B) sind hingegen meist operationsbedürftig. Gleiches gilt bei Typ-C-Verletzungen. Bei kompletter Unterbrechung des hinteren Beckenrings ist auch eine Vertikalverschiebung der Fragmente möglich (Translationsinstabilität), die zusätzlich einer dorsalen Stabilisierung bedarf. Der operative Zugang erfolgt in der Regel über eines oder mehrere der drei Fenster des ilioinguinalen Zugangs nach Letournel. Hierüber können sowohl Symphysensprengungen und Frakturen der vorderen Scham- und Sitzbeinäste versorgt werden (2. Fenster), als auch Frakturen des Os ilium oder der Iliosakralfuge (1. Fenster). Zur Versorgung der Symphyse werden schmale 4-Loch-DC-Platten von kranial angelegt, Scham- und Sitzbeinfrakturen werden ebenfalls über eine Plattenosteosynthese oder alternativ über eine „Kriechschraube” versorgt. Bei Frakturen des Os ilium oder Verletzung der Iliosakralfuge kommen Rekonstruktionsplatten resp. kurze angebogene 3-Loch-DC-Platten zur Anwendung. Neben einer exakten Reposition ist auf die Platzierung der Schrauben im Sakrum zu achten (nur eine Schraube im Bereich der Massa lateralis wegen des Verletzungsrisikos einer Nervenwurzel von L5). Am Os ilium soll die Platzierung fugennah geschehen, da nach lateral das Darmbein rasch dünn wird und keine stabile Schraubenverankerung zulässt. In speziellen Situationen am hinteren Beckenring kommen bilaterale Abstützverfahren mit Platten oder internen Fixateuren zum Einsatz, die auch die unteren lumbalen Wirbel mit einbeziehen können. Kindliche Frakturen sowie Altersfrakturen stellen Sondersituationen dar, die ein individualisiertes Vorgehen notwendig machen.

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