PiD - Psychotherapie im Dialog 2007; 8(2): 175-176
DOI: 10.1055/s-2007-970875
DialogBooks
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Buchempfehlungen

Oliver  Kugele
Further Information

Publication History

Publication Date:
01 June 2007 (online)

Fachliteratur

Peter Diederichs (Hrsg.): Die Beendigung von Psychoanalysen und Psychotherapien. Die Achillesferse der psychoanalytischen Behandlungstechnik?
Gießen: Psychosozial-Verlag, 2006.
ISBN 3-89806-503-0; 211 Seiten; € 24,90.

Entsprechend dem Anliegen der Buchreihe „Bibliothek der Psychoanalyse”, ein Forum der Auseinandersetzung verschiedener Strömungen innerhalb der Psychoanalyse zu schaffen, gelingt in diesem Band eine Metareflexion der Bedeutung der Beendigung von psychoanalytischen Behandlungen. Zehn erfahrene Psychoanalytiker und Lehranalytiker unterschiedlicher psychoanalytischer Fachrichtungen und Gesellschaften diskutieren im Hinblick auf die Gestaltung des Therapieendes unter anderem dynamische Aspekte und behandlungstechnische Schwierigkeiten in der Abschlussphase von Kinderanalysen und der Behandlung von Jugendlichen. In einem Vergleich zwischen Individualpsychologie und der klassischen Freudschen Psychoanalyse werden Unterschiede im Beendigungshandeln herausgearbeitet. Weiter wird aus der Position der Adlerschen Schule die Frage gestellt, inwieweit die gesamte Analysezeit als eine Lebensphase verstanden werden kann, in der sich ein neuer Individuationsprozess zu entwickeln beginnt, sodass das Therapieende lediglich als ein formales Datum gesehen werden kann. Weitere Beiträge fokussieren auf Übertragungs- und Gegenübertragungsprozesse oder betrachten die Beendigung einer Psychotherapie eher im Kontext der spezifischen zeitlichen Rahmenbedingungen (Fokaltherapie, tiefenpsychologisch-fundierte Therapie, analytische Kurzzeittherapie, Psychoanalyse u. a.). Besonderheiten im Umgang mit der therapeutischen Abstinenz bei Lehranalysen vor dem Hintergrund der sich nach Beendigung der Lehranalysen ergebenden kollegialen Kontakte zwischen Lehranalytiker und ehemaligen Analysanden sowie originelle Überlegungen zum Abschluss von Gruppenanalysen bilden weitere Diskussionsschwerpunkte. Diederichs beschließt den Band mit der Darstellung seiner persönlichen analytischen Haltung im Umgang mit der Beendigung.

Die vielfältigen Beiträge zeigen, dass keine psychoanalytische Schule oder Fachgesellschaft „Königswege” oder gar Paradigmen für die Beendigung bereit hält. Das Buch liefert vielmehr eine wertvolle Grundlage für eine intensivierte Diskussion über die Beendigung von Psychoanalysen und analytischen Psychotherapien - sowohl im Ausbildungskontext als auch in den psychoanalytischen Institutionen oder Therapierichtungen. Es ist in gut lesbarem Stil geschrieben, praxisnah und dabei theoretisch eher anspruchsvoll.

Johanna Müller-Ebert: Trennungskompetenz - Die Kunst, Psychotherapien zu beenden.
Stuttgart: Klett-Cotta, 2001.
ISBN 3-608-94004-9; 313 Seiten; € 31,00.

Im Rahmen einer qualitativen Studie setzt sich die Autorin - selbst Gestalttherapeutin mit tiefenpsychologisch-fundierter Weiterbildung - auf der Grundlage von Interviews mit der Frage auseinander, wie Psychotherapeuten in der Psychoanalyse, Gestalttherapie, Gesprächstherapie und Verhaltenstherapie mit dem Beendigen ihrer ambulanten Psychotherapien umgehen. Sie zielt dabei nicht darauf ab, Kriterien einer gelungenen oder misslungenen Psychotherapie oder Heilfaktoren darzustellen, sondern legt den Schwerpunkt der Untersuchung auf die Erhellung des Erlebens und konkreten Handelns der Therapeuten in der Endphase ihrer Psychotherapien.

Nach einer Übersicht der „Geschichte der Beendigung früher Psychoanalysen”, ausgehend von Freuds Anwendung der Terminsetzung sowie Weiterentwicklungen durch Rank, Ferenczi und Balint, gibt sie einen Abriss über die Auseinandersetzung mit dem Thema „Beendigung von Psychotherapie” in der psychotherapeutischen Fachliteratur. Das Kernstück ihres Buches bildet die ausführliche vergleichende Betrachtung des Beendigungshandelns und -erlebens in den verschiedenen therapeutischen Schulen, welche durch ausgesuchte Fallbeispiele und Zitate aus den Interviews veranschaulicht werden. Ihr Augenmerk legt die Autorin dabei beispielsweise auf mögliche Hinweise für das Beendigen einer Therapie, therapeutisch-technische Strategien oder die Beziehungsgestaltung zwischen Therapeut und Patient am Ende des Therapieprozesses. Weitere Themenkomplexe ihrer synoptischen Darstellung bilden der Umgang mit kritischen Therapieverläufen, berichtete Gefühlsnuancen und das Trennungserleben auf Therapeutenseite, das Spannungsverhältnis von „Idealisierung und Machbarkeit” von Psychotherapie oder auch Bewältigungsstrategien der Therapeuten in der Abschiedsphase. Die befragten Therapeuten reflektieren etwaige Einflüsse der psychotherapeutischen Ausbildung und Lehrtherapie oder auch die externer Rahmenbedingungen wie die Stundenkontingentierung in der freien Praxis auf ihr Beendigungshandeln. Abgerundet wird das insgesamt sehr lesenswerte und klar strukturierte Buch durch vier ausführliche Fallbeispiele der Interviewgespräche mit jeweils einem Psychotherapeuten als Repräsentanten seines psychotherapeutischen Verfahrens. Dabei berücksichtigt sie auch Besonderheiten, die den Interview- und Auswertungsprozess begleiteten, welche sie in Form von Kontextprotokollen festhält.

Frau Müller-Ebert ist es auf einfühlsame Weise gelungen, in ihren Interviews auch sehr persönliche Ebenen bei den von ihr befragten Therapeuten anzusprechen, was die Lektüre spannend macht und zur Selbstreflexion anregt. Kritisch anzumerken bleibt, dass Frau Müller-Ebert auf eine genauere Beschreibung der Stichprobe der von ihr befragten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie ihres methodischen Vorgehens leider verzichtet. Phasenweise bleibt unklar, inwieweit die Autorin ihre Darstellung auf persönliche Ansichten, eigene Erfahrungen oder die erhobenen Daten gründet. Es entsteht der Eindruck, als ob infolge der eher kleinen Stichprobengrößen persönliche Einzelmeinungen der befragten Therapeuten vorschnell auf schulenspezifische Unterschiede schließen lassen könnten. Repräsentative Aussagen und Generalisierungen sind aufgrund des qualitativen Forschungsansatzes anhand dieser Untersuchungsergebnisse nur sehr eingeschränkt möglich.

Das Verdienst Frau Müller-Eberts liegt darin, sich dem Thema „Trennungskompetenz” in klinischer Hinsicht differenziert und zielgerichtet zu nähern und dadurch den theoretisch und praktisch interessierten Leserinnen und Lesern, egal welcher Therapierichtung sie sich verbunden fühlen, Einblicke in dieses bislang noch vergleichsweise wenig systematisch untersuchte Gebiet zu verschaffen.

Inge Rieber-Hunscha: Das Beenden der Psychotherapie. Trennung in der Abschlussphase.
Stuttgart: Schattauer, 2004.
ISBN 3-7945-2355-5; 336 Seiten; 7 Tabellen; 1 Abbildung; € 29,95.

Frau Rieber-Hunscha, Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin, Psychotherapie und Psychoanalyse, befasst sich seit über zehn Jahren schwerpunktmäßig mit dem Thema Beenden von Psychotherapie. Ihre Zielsetzung der vorliegenden, insgesamt sehr umfassenden Arbeit besteht zum einen in der Darstellung der Ergebnisse ihres sehr gründlichen Studiums der deutsch- und englischsprachigen Literatur zum Beenden der Psychotherapie. Untergliedert in Kapitel zu Affekten, Trennungsangst, Widerstand gegen Trennung, Trennungsambivalenzen, Terminsetzung, Ziele und Ergebnisse, Lösung von Übertragungen, Gestaltung der letzten Stunden bis hin zur „postterminalen Phase” gelingt ihr dabei eine solide und zugleich faszinierende Auseinandersetzung mit zentralen Aspekten in der abschließenden Therapiephase. Zum anderen stellt sie dieser Literatur eigene therapeutische Erfahrungen mit der Beendigung ambulanter Psychotherapien gegenüber, wodurch sie durchgehend einen engen Praxisbezug garantiert.

In fall- und methodenübergreifender Weise formuliert sie therapeutische Grundsätze in theoretischer, technischer und ethischer Hinsicht. Ein wichtiges Anliegen der Autorin ist die kritische Analyse und Würdigung gemeinsamer Schnittstellen wie auch trennender Differenzen insbesondere zwischen den psychodynamisch-psychoanalytischen und kognitiv-behavioralen Grundverfahren. Ihr Hauptfokus liegt indes vor allem auf der Betonung gemeinsamer Aspekte der verschiedenen Psychotherapiemethoden beim Beenden der Behandlung sowie der Formulierung schulenübergreifender Grundsätze. Dabei setzt sie sich leidenschaftlich kritisch mit eigenen Vorbehalten gegenüber Dogmen der heutigen Psychoanalyse auseinander und mag dadurch besonders auf viele psychoanalytisch arbeitende Kollegen provozierend wirken, zumal sie die spezielle und für viele Therapeuten anderer Schulen schwer verstehbare psychoanalytische Sprache zu vereinfachen sucht, um ihre eigene Arbeit allgemeinverständlicher zu formulieren. Konsequent wird in ihren Ausführungen immer wieder deutlich, dass ihr eine schulenunabhängige qualitative Verbesserung von Psychotherapien generell und damit eine Optimierung der Patientenversorgung über die Verfahrensgrenzen hinaus am Herzen liegt, und sie sich mit dieser Gesinnung über trennende Grundorientierungen der Therapieverfahren sowie vorstellbare Macht- und Loyalitätskonflikte hinwegsetzt. Mit ihrer Haltung innerer und äußerer Unabhängigkeit beweist sie Mut.

Das Buch ist inhaltlich klar strukturiert und lädt durch seine lebendige Sprache zum Lesen ein. Es regt zum Überdenken des eigenen therapeutischen Handelns an und beinhaltet vielfältigen Diskussionsstoff. Gerade deshalb ist es all jenen sich in der Aus- und Weiterbildung befindlichen psychologischen und ärztlichen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten besonders zu empfehlen, denen das Thema „Beenden der Psychotherapie” im theoretischen Ausbildungskurrikulum zu kurz kommt.

Korrespondenzadresse:

Dipl.-Psych. Oliver Kugele, Leitender Psychologe

ParkKlinik Bad Bergzabern, Fachklinik für psychosomatische Rehabilitation

Kurtalstraße 83 - 85

76887 Bad Bergzabern

Email: o.kugele@gmx.de

    >