Einleitung: Die neue Approbationsordnung [1] fordert die Stärkung interpersoneller, sozialer und affektiver Kompetenzen angehender Ärzte. Hierzu werden aktuelle Daten zu Selbstbild, Arztbild und Arztideal Medizinstudierender benötigt, die als Habitus und Rollenstereotype hochgradig berufliche Sozialisation und späteres Arbeitsleben prägen. Methode: In einer Fragebogenerhebung beschrieben Tübinger Medizinstudierende im klinischen Abschnitt in 3 sog. „Polaritätsprofilen“ sich selbst, ihnen bekannte Ärzte sowie ihr Arztideal. Das Polaritätsprofil beinhaltet 18 Gegensatzpaare mit 7 dazwischen liegenden Antwortstufen [2,3]. Zum Vergleich diente die 1984 analog erhobene Studie von Speierer et al. mit n=491 Regensburger Medizinstudierenden [4]. Ergebnisse: Ausgewertet wurden n=552 komplett bearbeitete Fragebögen von Studierenden im Alter von M=24,1 Jahren (20–47; SD=2,9); 64,4% Frauen. Aktuell wird der ideale Arzt als fähig, vertrauenswürdig und zuverlässig beschrieben, gefolgt von sympathisch, gründlich und freundlich. Im Arztbild dominieren die Merkmale selbstbewusst und sicher; Arztideal-Merkmale werden ihnen weniger zugeschrieben. Im Selbstbild stehen die Studierenden zwischen Ideal und Arztbild; führende Attribute sind vertrauenswürdig, freundlich, zuverlässig. Hauptdistanz zu beiden anderen Profilen ist die Empfindung eigener Unsicherheit und Machtlosigkeit. Verglichen mit 1984 ist das Arztideal nahezu identisch; die Realärzte gelten als fortschrittlicher und ärmer. Das Selbstbild ist heute v.a. bei fortschrittlich, gründlich, sympathisch und offen näher am Ideal als 1984.
Übersicht:Arztbild, Selbstbild und Arztideal bei Medizinstudierenden
Schlussfolgerungen: Das Arztideal Medizinstudierender ist über 20 Jahre überraschend konstant. Gefühle von Machtlosigkeit und Unsicherheit und die angedeutete „Selbstüberschätzung“ sind in der Entwicklung künftiger medizinischer Curricula dringend zu berücksichtigen. Folgeerhebungen zur Entwicklung von Selbst-, Arztbild und Arztideal in der beruflichen Sozialisation angehender Ärzte sind notwendig.
Literatur: 1. Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002. Bonn: Bundesgesetzblatt (Teil I, Nr. 44), 2002. 2. Osgood CE: The nature and measurement of meaning. Psychol Bull 1952;49: 1867-69 3. Hofstätter PR, Lübbert H. Die Untersuchung von Stereotypen mit Hilfe des Polaritätsprofils. Z Markt Meinungsforsch 1958;3: 127-38 4. Speierer GW, Weidelt J, Schmidt FX. Selbstbild und Arztideal bei vorklinischen Medizinstudenten. Psychother Psychosom Med Psychol 1984;43: 413-9.