Krankenhaushygiene up2date 2007; 2(4): 357-367
DOI: 10.1055/s-2007-967036
Antibiotikaanwendung

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Antibiotikaanwendung - Einfluss auf Resistenzbildung und -selektion[1]

Stephan  Harbarth
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Publikationsdatum:
11. Dezember 2007 (online)

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Kernaussagen

  • Antibiotikaresistente Erreger treten am häufigsten auf Intensivstationen auf. Aufgrund der Vielzahl abwehrgeschwächter Patienten werden täglich Breitbandantibiotika eingesetzt. Das erzeugt einen Selektionsdruck, der entscheidend an der Verbreitung von multiresistenten Erregern beteiligt ist.

  • Deutsche Intensivstationen haben ein endemisches Auftreten von methicillinresistenten Staphylococcus aureus (MRSA) und Breitspektrum-Betalaktamase produzierenden Enterobakterien (ESBL). Die Resistenzsituation ist noch relativ günstig verglichen mit südeuropäischen Ländern und den Vereinigten Staaten.

  • Antibiotikaresistenz ist nicht nur ein von Menschen gemachtes Problem. Allerdings wird es durch den Einsatz von Antibiotika in der Human- und Veterinärmedizin extrem beschleunigt und verstärkt.

  • Man unterscheidet primäre und sekundäre Resistenz (intrinsic und acquired resistance). Für die Resistenzentstehung sind fünf Hauptmechanismen verantwortlich. Kreuzresistenzen sind häufig.

  • Auf Intensivstationen kommt es zur Resistenzverbreitung durch: 1. „Import” von Patienten, die mit resistenten Bakterien besiedelt sind; 2. Induktion von „schlummernden” Resistenzen (z. B. Enterobacter spp.) durch Antibiotika; 3. Selektion bereits bestehender Resistenzen durch Abtöten der sensiblen Patientenflora; 4. Mangelnde Hygiene und Kreuzübertragungen.

  • Resistenzentstehung und -selektion während der Antibiotikatherapie einer Infektion beobachtet man am häufigsten bei Enterobacter spp., Pseudomonas spp. und anderen gramnegativen Bakterien. Bei Staphylococcus aureus kommt es unter Oxacillin-Therapie nicht zur Resistenzentstehung (MRSA).

  • Bei resistenten, grampositiven Bakterien wie MRSA, VRE und penicillinresistenten Pneumokokken (PRP) verursacht der Antibiotikaeinsatz eine teilweise oder komplette Auslöschung der sensiblen, endogenen Flora auf der Haut (MRSA), im Darm (VRE) oder im Nasen-Rachen-Raum (PRP). Dadurch wird sowohl die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ein Patient, der bisher frei von resistenten Bakterien war, mit resistenten Bakterien besiedelt wird (z. B. durch Kreuzübertragung) als auch, dass ein Patient, der bereits Träger von resistenten Bakterien ist, zu einer Übertragungsquelle wird und andere Patienten indirekt kontaminiert.

  • Der Einsatz von Breitspektrumantibiotika trägt zur Verbreitung von MRSA bei. Dies ist insbesondere für Fluoroquinolone wie Ciprofloxacin nachgewiesen worden.

  • Vielversprechende Ansatzmöglichkeiten zur Verbesserung der Antibiotikatherapie sind Deeskalationsprinzip, Einsatz neuer molekularer Methoden zur Schnellbestimmung sowie „intelligente” Systeme zur individuellen Antibiotikaberatung.

1 Erstveröffentlichung des Beitrages in: Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2007; 42: 130 - 135

Literatur

1 Erstveröffentlichung des Beitrages in: Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2007; 42: 130 - 135

PD Dr. med. Stephan Harbarth

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