Zahnmedizin up2date 2007; 2(2): 125-144
DOI: 10.1055/s-2007-965437
Die gegossene Teilprothese

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Die gegossene Teilprothese

Reiner H. H. Biffar
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Publication Date:
21 November 2007 (online)

Grundlagen

Die gegossene Teilprothese oder Modelleinstückgussprothese dient dem Ersatz von Zähnen, wenn ein einfacher und in der Regel kostengünstiger Ersatz von Zähnen im Restgebiss angezeigt ist. Sie ist wenig invasiv und lässt viele Optionen für die Zukunft offen. Diese Art der Versorgung ist die einfachste Art des permanenten Zahnersatzes. Kunststoff- bzw. Plast-Prothesen mit gebogenen Klammern werden dem provisorischen Zahnersatz zugerechnet.

Gemäß den Publikationen zur DMS-IV-Studie (Vierte Deutsche Mundgesundheitsstudie von November 2006) tragen 28,8 % aller Senioren im Alter von 65 - 74 Jahren mindestens eine herausnehmbare Teilprothese in einem Kiefer, hiervon tragen 30,6 % mindestens eine Modelleinstückgussprothese [[1]].

Merke: Prinzipiell können alle Situationen im Lückengebiss mit einer gegossenen Teilprothese funktionell versorgt werden.

Abb. 1 Modellation eines Modellgussgerüstes auf dem Einbettmassemodell mit Gusstrichter und Steigern.

Definition

In der Nomenklatur wird die gegossene Teilprothese als Modelleinstückgussprothese bezeichnet. Der Name erklärt sich aus dem typischen Herstellungsverfahren: Die Wachsmodellation wird direkt auf ein Einbettmassemodell aufmodelliert, das Modell wird mit der Modellation eingebettet und in einem Stück gegossen (Abb. [1]). Alle Halteelemente (Klammern) werden zusammen mit den großen und kleinen Verbindern in einer Metalllegierung gegossen. Als große Verbinder werden die Basis im Oberkiefer als Metallgaumenplatte/-bügel und die Basis im Unterkiefer als Sublingualbügel definiert. Die kleinen Verbinder laufen von den großen Verbindern zu den Klammern.

Jedoch sollte geprüft werden, ob auf eine Versorgung im Sinne der verkürzten Zahnreihe verzichtet werden kann oder ob nicht andere Versorgungen, wie Brücken, kombiniert festsitzend-abnehmbarer Zahnersatz oder implantatgestützter Zahnersatz vom Patienten bevorzugt werden, um eine höhere Funktionalität, Komfort oder Ästhetik zu erreichen.

Neben den ästhetischen Wünschen und allgemeinen Vorstellungen des Patienten können allerdings auch nicht lösbare okklusale Verhältnisse bei der Planung der Auflagen und Übergänge oder besondere Pfeilerverteilungen die Notwendigkeit anderer Versorgungsformen bedingen. In der Planungsphase und bei der zahntechnischen Umsetzung muss bei allen Teilprothesen auf den Planungsmodellen eine gemeinsame Einschubrichtung vermessen und auf die Verankerungselemente abgestimmt werden.

Lagerung der Modelleinstückgussprothese Tabelle 1 Lagerung der Modelleinstückgussprothese Gingivale Lagerung Parodontal-gingivale Lagerung Definition Übertragung von Kräften nur auf das Tegument der Kieferkammschleimhaut Übertragung von Kräften auf die Zähne und das Tegument Indikation Kurzfristig getragene Frontzahnprovisorien Planung der sukzessiven Erweiterung zur Totalen Hybridprothese Bei großen Lücken, wenn festsitzender Zahnersatz kontraindiziert ist Modelleinstückgussprothese Besonderheiten Absinken der Prothese unter das Okklusionsniveau nach kurzer Zeit Dadurch Schädigung der Restparodontien Bessere Verteilung der Belastung Stabiler gegenüber horizontal wirkenden Kräften

Bei einer gingivalen Lagerung wird die bedeckende Gingiva (Mucosa) belastet. Ausschließlich gingivale Lagerung liegt bei einer Totalprothese vor. Die rein gingivale Lagerung im Lückengebiss ist nur noch in seltenen Ausnahmefällen angezeigt. Haupteinsatzgebiet sind kurzfristig getragene Frontzahnprovisorien nach Extraktionen. Sonst wird im Lückengebiss die allein gingivale Lagerung vereinzelt in der Alterszahnmedizin bei der sukzessiven Erweiterung von Hybridprothesen zur Totalprothese eingesetzt. Derartige subtotale Prothesen kommen also zum Einsatz, um die Adaptation an eine Totalprothese zu erleichtern. In der Regel werden diese Versorgungen jedoch mit gebogenen, weniger mit gegossenen Klammern hergestellt.

Merke: Ein entscheidendes Problem der rein gingivalen Lagerung ist die Resilienz der Schleimhaut und die reaktive Atrophie des belasteten Kieferkammes.

Ein okklusaler Ausgleich gelingt bei rein gingivaler Lagerung aufgrund der unterschiedlichen Resilienzen zwischen Zahn und Gingiva nicht. Relativ kurz nach der Eingliederung von rein gingival getragenem Zahnersatz im Lückengebiss überragen die natürlichen Zähne das Okklusionsniveau. Hieraus entstehen Hindernisse der statischen oder dynamischen Okklusion. Aufgrund der geringen horizontalen Lagesicherung werden die Parodontien direkt mechanisch oder mechanisch-bakteriell geschädigt. Marginal gelegene Klammerarme geraten in Kontakt mit der Gingiva und verletzen beim Absinken der Prothese das marginale Parodont.

Bei der parodontal-gingivalen Lagerung werden sowohl Zähne als auch Gingiva belastet. Die abgestützte abgestimmte Modelleinstückgussprothese ist sowohl gingival als auch parodontal getragen. In das konstruktive Kalkül muss bei einer parodontal-gingivalen Lagerung die Kippung der Prothesensättel bei Kaubelastung und abziehenden Kräften jeglicher Art einbezogen werden.

Merke: Aufgrund der Anpassungsvorgänge der gingivalen Gewebe liegt die Schleimhautresilienz nach einiger Zeit der Belastung bei ungefähr einem Drittel der Kompression unbelasteter Schleimhaut [2].

Durch den Resilienzunterschied von Zahn und Schleimhaut werden Prothesen ungleichmäßig einsinken. Kippachsen entstehen und die einwirkenden Kräfte müssen durch die Anordnung der Klammerelemente soweit wie möglich kompensiert werden.

Zusätzlich zu der parodontalen Anbindung an den Restzahnbestand wird über das gingivale Prothesenlager kompensiert. Das Einsinken des Prothesensattels kann durch schneeschuhartige Ausdehnung der Basis vermindert werden. Dies wird im Oberkiefer besser gelingen als im Unterkiefer, da der wenig abbaubereite Gaumen besser als der schmale Unterkieferkamm für eine flächige Lagerung genutzt werden kann. Zonen mit geringer Atrophieneigung, der Tuber maxillae und das Trigonum retromolare, sollten bei Freiendsituationen zwingend genutzt werden [[3], [4], [5]].

Die parodontal-gingivale Lagerung wird bei großen Lücken gewählt, wenn festsitzende Versorgungen ausscheiden. Belastungen werden bei Nutzung des parodontalen und des gingivalen Prothesenlagers besser verteilt. Insbesondere die horizontal wirkenden Kräfte werden durch die stabilisierende Wirkung der Gesamtkonstruktion auf mehrere Parodontien übertragen. Bei einseitigen und beidseitigen Freiendsituationen wird man ebenso wie bei nicht linearer Verbindungsmöglichkeit bei Frontzahnlücken die parodontal-gingivale Abstützung in Kombination mit Retentionen zur Kippmeidung bevorzugen (Tab. [1]).

Merke: Ziel jeder klammergestützten Prothese ist die parodontal-gingivale Lagerung. Die Ausdehnung auf den Tuber maxillae im Oberkiefer und das Trigonum retromolare im Unterkiefer sollte bei Freiendsituationen obligat erfolgen.

Literatur

  • 1 Kerschbaum Th. Zahnverlust und prothetische Versorgung. Micheelis, Schiffner Vierte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS IV). Köln; IDZ Deutscher Zahnärzteverlag 2006
  • 2 Akazawa H, Sakurai K. Changes of blood flow in the mucosa underlying a mandibular denture following pressure assumed as a result of light clenching.  Oral Rehabil. 2002;  29 336-340
  • 3 Biffar R, Körber E. Die prothetische Versorgung des Lückengebisses. 4. Auflage. Köln; Dtsch. Zahnärzte Verlag DÄV‐Hanser 1999
  • 4 Körber K-H. Zahnärztliche Prothetik. 4. Auflage. Stuttgart; Thieme 1995
  • 5 Kydd W L, Daly C. The biological and mechanical effects of stress on oral mucosa.  J Prosth Dent. 1982;  47 317-329
  • 6 Steffel V L. Planning removable partial dentures.  J Prosthet Dent. 1962;  12 524-530
  • 7 Päßler K, Wolf B. Titanlegierungen.  dent labor. 2005;  53 85-92
  • 8 De Risi M C. Surveying for removable partial denture prosthesis.  J Am Dent Assoc. 1961;  63 603-610
  • 9 Kump U. Neues Konstruktionssystem für die optimale Klammergestaltung.  Dent Labor. 1982;  26 877-881
  • 10 Arda T, Arikan A. In vitro comparison of retentive force and deformation of acetal resin and cobalt-chromium clasps.  J Prosthet Dent. 2005;  94 267-274
  • 11 Spiekermann H, Gründler H. Die Modellgussprothese. Berlin; Quintessenz Verlag 1977
  • 12 Marxkors R. Lehrbuch der zahnärztlichen Prothetik. 3. Auflage. Köln; Dtsch. Zahnärzte Verlag 2000
  • 13 Böning K, Walter M. Gussklammerverankerte Teilprothesen. Freesmeyer, B (Hrsg.) Klinische Prothetik Band 2. Heidelberg; Hüthig Verlag 1999: 11-39
  • 14 Enkling N, Nicolay C, Utz K H, Johren P, Wahl G, Merickse-Stern R. Tactile sensibility fo single-tooth implants and natural teeth.  Clin Oral Implants Res. 2007;  18 231-236
  • 15 Lynch C D, Allen P F. Why do dentists struggle with removable partial denture design? An assessment of financial and educational issues.  Br Dent J. 2006;  200 258-261

Prof. Dr. Reiner H. H. Biffar

Direktor der Poliklinik für zahnärztliche Prothetik, Alterszahnmedizin und Medizinische Werkstoffkunde der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

Rotgerberstraße 8

17487 Greifswald

Phone: 0 38 34-86 71 40

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