Ultraschall Med 2007; 28(3): 270-272
DOI: 10.1055/s-2007-963257
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ersttrimesterscreening - ein neuer Algorithmus der FMF-Deutschland zur Risikokalkulation von Chromosomenstörungen

First Trimester Screening - a New Algorithm for Risk Calculation of Chromosomal Anomalies Developed by FMF GermanyE. Merz1
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Publication Date:
22 June 2007 (online)

In der pränatalen Fehlbildungsdiagnostik hat das Ersttrimesterscreening als nichtinvasives Verfahren zur frühen Erkennung von fetalen Chromosomenstörungen weltweit eine zunehmende Bedeutung in den letzten Jahren erlangt [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7]. Dabei dient das Ersttrimesterscreening nicht nur der frühen Erkennung von häufigen Chromosomenstörungen wie Trisomie 21, 18 und 13, sondern gibt auch Hinweise auf das Vorliegen von fetalen Herzfehlern, genetischen Syndromen oder anderen Erkrankungen des Feten [8] [9] [10]. Anhand der Messergebnisse von fetalen Ultraschallparametern (Scheitel-Steiß-Länge [SSL] und Nackentransparenz [NT]) und biochemischen Parametern aus dem mütterlichen Blut (PAPP-A und freies β-hCG) wie auch anhand des mütterlichen Alters wird mithilfe eines Computerprogramms eine Risikoberechnung vorgenommen. Ergibt die Berechnung ein hohes Risiko, kann nicht nur bei der älteren Schwangeren (≥ 35 Jahre), sondern vor allem auch bei der jüngeren Schwangeren gezielt eine invasive Diagnostik (Chorionzottenbiopsie) durchgeführt werden. Umgekehrt kann sich bei einem niedrigen Risiko die ältere Schwangere oder auch diejenige Patientin, die über eine künstliche Befruchtung schwanger geworden ist, dazu entscheiden, auf eine invasive Diagnostik zu verzichten, um das Risiko eines Abortes so gering wie möglich zu halten [11]. Somit wird die nach den deutschen Mutterschaftsrichtlinien geltende Altersindikation (≥ 35 Jahre) für eine invasive Diagnostik mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt.

Um die Effizienz und die Qualität der Risikoberechnung bei diesem Verfahren in Deutschland zu gewährleisten, wurde 2002 in Absprache mit der Fetal Medicine Foundation England (FMF-UK) die Fetal Medicine Foundation Deutschland (FMF-D) als DEGUM assoziierter gemeinnütziger Verein in Frankfurt am Main mit dem Ziel gegründet, durch ausgewiesene Weiterbildungskurse mit definiertem Ausbildungsinhalt die Qualität der Ultraschalluntersuchung im Zeitraum 11 - 14 SSW entsprechend den DEGUM-Kriterien zu gewährleisten und mittels eines jährlichen AUDIT zu sichern [12]. Am jährlichen AUDIT der FMF-Deutschland nehmen derzeit über 2500 Frauenärzte/Innen teil. Die damit verbundene Überprüfung des eingesandten Bildmaterials und der Messdaten wird von DEGUM-Mitgliedern der Stufe II/III der Sektion Gynäkologie und Geburtshilfe vorgenommen.

Eine zertifizierte Risikoberechnung für das Vorliegen einer fetalen Chromosomenstörung konnte in der Vergangenheit nur mit dem Algorithmus der FMF-England vorgenommen werden. Durch intensive Recherchen und statistische Berechnungen anhand des eigenen Datenmaterials gelang es der FMF-Deutschland (http://www.fmf-deutschland.info) nun, einen eigenen „deutschen” Algorithmus zu entwickeln. Dieser neue Algorithmus steht seit Februar 2007 in Form eines CE-zertifzierten Risikoevaluationsprogramms zur Verfügung und wird allen Frauenärzten/Innen, die einen entsprechenden Kurs der FMF-Deutschland erfolgreich abgeschlossen haben, kostenlos zur Verfügung gestellt. Zur Entwicklung dieses neuen „deutschen” Algorithmus wurden 700 030 Schwangerschaften mit einem gesunden Kind und 451 Schwangerschaften mit einem chromosomal kranken Kind herangezogen. Das neue Risikokalkulationsprogramm berücksichtigt das mütterliche Alter, die Scheitel-Steiß-Länge von 45 - 84 mm (entspricht dem Zeitraum 11 + 1 bis 14 + 0 SSW), die Nackentransparenz sowie das mütterliche PAPP-A und freie β-hCG. Zusätzlich kann der sonografische Nachweis bzw. das Fehlen des fetalen Nasenbeins [13] [14] [15] in die Risikokalkulation mit aufgenommen werden.

Im Gegensatz zum bisher eingesetzten englischen Programm werden zur Beurteilung der „Auffälligkeit” eines einzelnen Messwertes anstelle von MoM-(Multiple of Median-) sogenannten DoE-(Degree of Extremeness-)Werte verwendet. Letztere geben die Abweichung von der Regressionslinie als Vielfaches der Bandbreite an der betreffenden Stelle an und haben den Vorteil, dass damit nicht allein der Abstand zur Mitte der Verteilung, sondern sowohl zum Idealwert als auch zur oberen bzw. unteren Normgrenze berücksichtigt wird.

Ein weiterer Vorteil des neuen Programms ist, dass die Patientin das Ergebnis der Risikoberechnung neben den bisherigen Angaben in Form von Risikoquotienten in Form einer Ampelgrafik mit den Bereichen Rot, Gelb und Grün erhält. Liegt das Kalkulationsergebnis im roten Bereich, kann die Patientin direkt erkennen, dass hier ein deutliches Risiko für eine Chromosomenstörung vorliegt, während es im grünen Bereich sehr gering ist. Findet man das Ergebnis im dazwischen liegenden gelben Bereich, muss abgewogen werden, ob weitere sonografische Kontrolluntersuchungen oder eine invasive Diagnostik notwendig sind.

Letztlich kann als weiterer Vorteil angesehen werden, dass nunmehr erstmals ein Risikokalkulationssystem zur Verfügung steht, das es ermöglicht, die Wertigkeit des bisherigen englischen Systems zu überprüfen, insbesondere mit Hinblick auf die Übertragbarkeit der zugrunde liegenden Referenzwerte auf eine Population von deutlich verschiedener ethnischer Zusammensetzung.

Ziel der FMF-Deutschland ist es weiterhin, das Ersttrimesterscreening in Deutschland als standardisierte, zertifizierte Methode unter ständiger Fortbildung und Qualitätssicherung aller beteiligten Ärzte anzubieten, um somit zu gewährleisten, dass eine Patientin - gleichgültig in welcher Region sie in Deutschland untersucht wird - eine Diagnostik in gleicher Qualität erhält. Da es sich um ein komplexes Screeningsystem handelt, sollte dieses Verfahren jedoch nur von speziell ausgebildeten Frauenärzten/Innen durchgeführt werden, die eine Schwangere ausführlich und individuell beraten und auch gewährleisten, dass die Patientin bei einem deutlich erhöhten Risiko (roter Bereich) wie auch bei einem grenzwertigen Ergebnis (gelber Bereich) zur weiteren Abklärung an ein entsprechendes weiterführendes Zentrum der DEGUM-Stufe II oder III überwiesen wird (NT-Screening-2-Stufen-Konzept).

Literatur

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  • 2 Perni S C, Predanic M, Kalish R B. et al . Clinical use of first-trimester aneuploidy screening in a United States population can replicate data from clinical trials.  Am J Obstet Gynecol. 2006;  194 127-30
  • 3 Falik-Zaccai T, Golan N, Cuckle H. Prenatal diagnosis for chromosomal abnormality: time to change the Israeli Policy.  Harefuah. 2006;  145 916-922
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  • 10 Souka A P, Krampl E, Bakalis S. et al . Outcome of pregnancy in chromosomally normal fetuses with increased nuchal translucency in the first trimester.  Ultrasound Obstet Gynecol. 2001;  18 9-17
  • 11 Merz E. Erstrimesterscreening (NT-Screening). Diedrich K, Felberbaum R, Polack S, Tauchert S Fortschritt ermöglichen - Grenzen erkennen. Kongressband, 55. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. 2004 2005: 150-155
  • 12 Merz E, Meinel K, Bald R. et al . DEGUM-Stufe III-Empfehlung zur „weiterführenden” sonographischen Untersuchung im Zeitraum 11 - 14 Schwangerschaftswochen.  Ultraschall in Med. 2004;  25 218-220
  • 13 Cicero S, Curcio P, Papageorhiou A. et al . Absence of nasal bone in fetuses with trisomy 21 at 11 - 14 weeks of gestation.  Lancet. 2001;  358 1665-1667
  • 14 Merz E. The Fetal Nasal Bone in the First Trimester - Precise Assessment using 3D Sonography (Das fetale Nasenbein im ersten Trimenon - gezielte Beurteilung mittels 3D-Sonographie).  Ultraschall in Med. 2005;  26 365-366
  • 15 Kozlowski P, Knippel A J, Froehlich S. et al . Additional performance of nasal bone in first trimester screening.  Ultraschall in Med. 2006;  27 336-339

Prof. Dr. E. Merz

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