physioscience 2007; 3(1): 17-22
DOI: 10.1055/s-2007-962886
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Effekte eines physiotherapeutisch geleiteten Sportunterrichts in der Grundschule - Analyse ausgewählter Parameter der Dehnfähigkeit und Koordination

Effects of physiotherapeutically guided Physical Education Lessons in Primary School - Analysis of Selective Parameters of Flexibility and CoordinationT. Altenhöner1 , A. Stamm1 , H. Zeeb2 , H. Piepenbrock3 , O. Zapf3
  • 1Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften
  • 2Universität Mainz, Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik
  • 3Gesundheitsforum Werne e.V.
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

eingereicht: 24.10.2006

angenommen: 11.1.2007

Publikationsdatum:
23. Februar 2007 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund: Bewegungsmangel gilt als ein Risikofaktor für die Entwicklung vieler gesundheitlicher Störungen. Defizite bei der körperlichen Aktivität und damit in Zusammenhang stehender Merkmale wie Übergewicht bestehen oft bereits im Kindes- und Jugendalter.

Ziel: Mit der SINNVOLL-Studie wurde das Ziel verfolgt, die Koordination und Beweglichkeit bei Grundschulkindern zu verbessern.

Methode: In einer quantitativen Studie wurde die Wirkung eines über 2 Jahre von Physiotherapeuten geleiteten Sportunterrichts im Vergleich zum herkömmlichen Unterricht geprüft. Die Stichprobe umfasste 186 Grundschulkinder, die sich zum Zeitpunkt der Nacherhebung am Ende der 2. Schulklasse befanden. 102 Kinder bildeten die Interventionsgruppe, 84 gehörten der Kontrollgruppe an. Als abhängige Merkmale wurden Parameter der Dehnfähigkeit von Hüft- und Kniegelenksmuskulatur sowie koordinative Fähigkeiten überprüft.

Ergebnisse: Nach dem 2-jährigen „physiotherapeutischen Sportunterricht[1]“ wurden keine Differenzen zur Kontrollgruppe in der Dehnfähigkeit festgestellt. Demgegenüber zeigten sich für die Interventionsgruppe zum Teil deutlich bessere Werte in den überprüften Koordinationsmerkmalen (Einbeinhüpfen links, p < 0,01; Überkreuzbewegungen, p < 0,001).

Schlussfolgerungen: Trotz einiger designbedingter Einschränkungen der Untersuchung deuten die Ergebnisse insgesamt auf mögliche positive Effekte der physiotherapeutischen Sporteinheiten bezüglich der Schulung der koordinativen Fertigkeiten. Offen bleibt, inwieweit ähnliche Wirkungen für die Beweglichkeit erzielt werden könnten. Hierzu wäre neben Modifikationen des Programms die Untersuchung größerer Kollektive empfehlenswert.

Abstract

Background: Insufficient physical activity is considered as one of the risk factors of ill health. Deficits in terms of physical activity and associated health problems such as obesity can already be found among school-aged children.

Objective: The aim of the "SINNVOLL Study" was to improve the flexibility and coordination among primary school children.

Methods: In a quantitative study the impact of physiotherapeutic lessons, held over 2 years in physical education, was investigated in comparison to conventional lessons in physical education. The sample consisted of 186 pupils, who by the time of follow-up had completed their second school year. The intervention group included 102 children and 84 pupils formed the control group. As depended variables different parameters of flexibility of muscles around hip and knee and coordination skills were tested.

Results: After 2 years of physiotherapeutically guided lessons no differences between intervention and control group were found regarding flexibility parameters. In contrast, the intervention indicated some improvements concerning coordination (one leg jumping left, p < 0.01; asymmetric or crossing-over movements, p < 0.001).

Conclusion: In spite of design-related limitations of the study the results indicate possible positive effects of the physiotherapeutic physical education lessons with regard to the training of coordination skills. It remains unclear, to what extent similar effects could be achieved for flexibility. Beside modification of the program the investigation of larger groups of children is recommended.

1 Im Artikel wird der Begriff „physiotherapeutischer Sportunterricht” verwendet. Den Autoren ist bewusst, dass dies nicht unkritisch ist, da Therapie i.e.S. etwas anderes bedeutet als Unterricht. Dennoch existiert hierzu kein geeigneterer Begriff, da im Rahmen der „SINNVOLL-Studie” 2 der 3 Regelstunden des Sportunterrichts durch Physiotherapeuten geleitet wurden. Um diese Problematik zu verdeutlichen, wird die Bezeichnung „physiotherapeutischer Sportunterricht” im Text immer in Anführungszeichen gesetzt.

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1 Im Artikel wird der Begriff „physiotherapeutischer Sportunterricht” verwendet. Den Autoren ist bewusst, dass dies nicht unkritisch ist, da Therapie i.e.S. etwas anderes bedeutet als Unterricht. Dennoch existiert hierzu kein geeigneterer Begriff, da im Rahmen der „SINNVOLL-Studie” 2 der 3 Regelstunden des Sportunterrichts durch Physiotherapeuten geleitet wurden. Um diese Problematik zu verdeutlichen, wird die Bezeichnung „physiotherapeutischer Sportunterricht” im Text immer in Anführungszeichen gesetzt.

Dr. Thomas Altenhöner, MPH

Universität Bielefeld,

Bertelsmann Stiftung

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D-33311 Gütersloh

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