Geburtshilfe Frauenheilkd 1994; 54(6): 347-354
DOI: 10.1055/s-2007-1022853
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Psychische Langzeitfolgen nach Spontanabort: Helfen medizinische Betreuung, neuerliche Schwangerschaft und Entbindung wirklich bei der Trauerverarbeitung?

Psychic Long-Term Sequelae After Spontaneous Abortion: Do Medical Care, New Pregnancy and Birth Really Assist with the Grief?R. Deckardt, M. Beutel1 , K. Schaudig
  • Frauenklinik und Poliklinik der Technischen Universität, Klinikum rechts der Isar, München (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. H. Graeff)
  • 1Institut und Poliklinik für Psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Medizinische Psychologie der Technischen Universität, München (Direktor: Univ. Prof. Dr. M. v. Rad)
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
18. März 2008 (online)

Zusammenfassung

Insgesamt 86 Patientinnen mit der Diagnose Spontanabort wurden während des stationären Aufenthaltes in der Frauenklinik kurz nach der Kürettage mit Hilfe standardisierter Fragebögen und Interviews zum Abortgeschehen befragt. Nach jeweils 7 Monaten, 13 Monaten und 24 Monaten wurden als Langzeitfolgen Trauer, Depressivität und körperliche Beschwerden durch schriftliche Nacherhebungen erfaßt. Die Ergebnisse zeigen, daß entgegen weitverbreiteter Meinung der Stellenwert eines Abortes von der überwiegenden Mehrzahl der Frauen nachhaltig als hoch angesehen wird und dessen psychische Folgen weitgehend unabhängig vom Gestationsalter sind. Eine neuerliche Schwangerschaft hatte keinen statistisch positiven Einfluß auf die Trauerverarbeitung. Selbst 24 Monate nach dem Abort ist die Trauer (Traurigkeit, Verzweiflung, schuldhafte Verarbeitung) nicht aufgelöst. Während Traurigkeit vor allem während der ersten 7 Monate kontinuierlich abnimmt, bleibt Verzweiflung über den gesamten Zeitraum konstant, schuldhafte Verarbeitung zeigt im Zeitraum zwischen 13 und 24 Monaten sogar einen signifikanten Anstieg. Ursächlich dafür ist, daß etwa 20% der Patientinnen im Anschluß an einen Abort eine pathologische Trauer entwickeln, die durch einen Anstieg von Depressivität, schuldhafter Verarbeitung und körperlichen Allgemeinbeschwerden gekennzeichnet ist. Diese Patientinnengruppe, die entsprechend unserer Ergebnisse besonders sorgfältiger und wiederholter Informationen bedarf, läßt sich als Risikogruppe bereits zum Zeitpunkt des Abortes durch Beachten einiger wichtiger Parameter erkennen.

Abstract

86 patients with spontaneous abortion were interviewed and followed up in a longitudinal study with an interview and standardised questionnaires shortly after the D&C at 7, 13 and 24 months later. Our results indicate profound and long-term adverse psychological sequelae. For most of the patients, a spontaneous abortion was considered to be of major importance. Without regard to the gestational age or ultrasonographic image, the embryo is represented early in fantasies and dreams as a child. The severity of grief reactions following abortion did not correlate well with gestational age or a new pregnancy. Mourning is still present 24 months after the abortion. While grief decreases continuously during the first 7 months following abortion, despair remains constant and self-reproachful coping shows even a statistically significant increase between months 13 and 24. The reason is, because 20% of patients develop a pathological grief reaction with an increase in depression, self-reproachful coping and physical complaints. This risk group of patients, who needs closer and more detailed observation and guidance, may be recognised as early as at the time of abortion.