Suchttherapie 2006; 7 - P6
DOI: 10.1055/s-2006-959132

Ambulanter Benzodiazepinentzug in Zusammenarbeit von Hausarzt und Apotheker Vorstellung einer Pilotstudie

E Pallenbach 1
  • 1Fachapotheker für Klinische Pharmazie, Schwarzwald-Baar-Klinikum Villingen-Schwenningen, Vorsitzender Arbeitskreis Sucht, Landesapothekerkammer Baden-Württemberg, Villingen-Schweningen

Aufgrund ihrer beruhigenden, angstlösenden und schlaffördernden Wirkung zählen Benzodiazepine zu den am häufigsten verordneten Arzneimitteln. Die entspannende Wirkung verleitet jedoch zahlreiche Patienten zu einer Dauereinnahme verbunden mit einer raschen Gewöhnung und ausgeprägten Entzugssymptomen beim Absetzen. Bundesweit geht man von 1,2 Millionen Benzodiazepinabhängigen aus. Besonders häufig sind alte Menschen betroffen. Die Dauereinnahme ist mit zahlreichen Nebenwirkungen und Gefahren verbunden. Neben ausgeprägten kognitiven Störungen bedingt die muskel-relaxierende Wirkung eine erhöhte Sturzgefahr und stellt insbesondere im höheren Lebensalter ein zentrales Problem dar. Trotz dieser Gefahren und der weiten Verbreitung wird diese Patientengruppe kaum wahrgenommen und findet im Suchthilfesystem wenig Beachtung, da die Dauerverschreibungen zum großen Teil im hausärztlichen Bereich ausgeführt werden. So nehmen zahlreiche Patienten über Jahrzehnte weitgehend unbemerkt regelmäßig Benzodiazepine ein.

Die primären Kosten für eine Behandlung mit Benzodiazepinen sind gering, jedoch erhöht sich die gesundheitsökonomische Relevanz durch hohe Fallzahlen und besonders durch immense Folgekosten wie Frakturen. Vor diesem Hintergrund wurde ein niedrigschwelliges Interventionsmodell zum Entzug von ambulanten benzodiazepinabhängigen Patienten entwickelt, das neben einem pharmakologisch-fachlichen Ansatz Elemente der klienten-zentrierten motivierenden Gesprächsführung beinhaltet. Dabei wird durch Zusammenarbeit von Apotheke und Hausarzt ohne Etablierung neuer Suchthilfeeinrichtungen mit relativ geringem Zeitaufwand Patienten mit langjährigem Abusus der Entzug ermöglicht. Die zweijährige Anwendungsbeobachtung an 38 Patienten zeigt eine hohe Akzeptanz bei den Patienten und beteiligten Ärzten. Die Methode beinhaltet pharmakologisch-fachliche Aspekte und Elemente der klientenzentrierten motivierenden Gesprächsführung. Neu bei dieser Methode ist die enge Zusammenarbeit von Hausarzt und Apotheker und der geringe Zeitaufwand der beteiligten Ärzte. Damit können sehr viele Patienten ohne größere Kosten und ohne Etablieren neuer Einrichtungen ambulant erreicht werden.

Die Mehrzahl der Patienten dieser Anwendungsbeobachtung konnte mit Unterstützung eines Baldrian-Hopfen-Kombinationspräparates bis zur Karenz begleitet werden. Die im hausärztlichen und pharmazeutischen Bereich verbreitete Ansicht „da kann man ja eh nichts machen“ kann damit widerlegt werden. Mit dieser neuen Methode könnte somit langfristig eine patientenorientierte und kostengünstige Ergänzung zum professionellen stationären Benzodiazepinentzug in psychiatrischen Kliniken etabliert werden und neben einem Gewinn an Lebensqualität der Patienten ein beachtliches gesundheits-ökonomisches Einsparungspotenzial erreicht werden.