Suchttherapie 2006; 7 - W1
DOI: 10.1055/s-2006-959123

Therapiemöglichkeiten von chronisch mehrfach geschädigten Alkoholkranken

K Bonny 1, G Jungbluth 1
  • 1Fachkrankenhaus Bernburg

Chronisch mehrfach beeinträchtigte Abhängige sind Patienten, deren chronischer Substanzkonsum zu schweren bzw. fortschreitenden physischen und psychischen Schädigungen führt. Außerdem ist bei dieser Patientengruppe eine überdurchschnittliche bzw. fortschreitende soziale Desintegration deutlich. Vor diesem Hintergrund unterscheidet sich die Behandlung dieser Patientengruppe hinsichtlich der Zielstellung und der therapeutischen Gestaltung teilweise von der Behandlung anderer Suchtpatienten.

In der S4-Gruppe auf der Therapiestation der Suchtklinik des Fachkrankenhaus Bernburg werden Alkohol-, Medikamenten- und drogenabhängige Patienten behandelt, bei denen anhaltende psychiatrische, neurologische und internistische Begleit- und Folgeerkrankungen vorliegen und bei denen eine erhebliche Rückfallgefahr besteht. Sie werden in unsere soziotherapeutisch orientierte Gruppe integriert und von einem multiprofessionellen Team betreut. Um die körperliche Stabilisierung und Besserung zu erreichen, wird während der stationären Behandlung die Diagnostik und Therapie sämtlicher Folge- und Begleiterkrankungen gewährleistet.

Die Ziele in der Behandlung von chronisch mehrfach beeinträchtigten Abhängigen unterscheiden sich teilweise von den Zielen anderer Suchtpatienten.

Aufgrund der schweren Folgeerkrankungen steht zunächst die Sicherung des Überlebens und die Verhinderung weiterer Folgeschädigungen bzw. die Verschlechterung der Folgeerkrankungen im Vordergrund. Während der Therapie wird für den Patienten eine suchtmittelfreie Umgebung geschaffen, so dass erstmals oder zumindest seit längerer Zeit eine Abstinenzphase oder suchtmittelfreie Periode aufrechterhalten werden kann. Des weiteren wird in den Gruppengesprächen versucht, mit dem Patienten zu erarbeiten, dass der Verzicht auf den Alkohol die gesündeste Lebensform für ihn darstellt und notwendig ist, um nicht weiter unter den schwerwiegenden Folgen des Alkoholkonsums zu leiden. Um die Abstinenz jedoch einhalten zu können, ist es wichtig dem Patienten die Notwendigkeit einer zufriedenen und selbstgestalteten Lebensführung zu erklären.

Um diese Ziele umsetzen zu können, haben sich im Lauf der Zeit verschiedene Therapiebausteine entwickelt. Im Mittelpunkt der Behandlung stehen die Gruppengespräche und das Beüben der kognitiven Fähigkeiten. In den Gruppengesprächen werden verschiedene Themen bearbeitet, die den Patienten zum einen Informationen und Zusammenhänge über ihre Abhängigkeit vermitteln und die sie andererseits dazu befähigen sollen, dass sie eine zufriedene Abstinenz aufrecht erhalten können. Dafür wird mit dem Patienten gemeinsam eine individuelle Nachsorge geplant und es werden Strategien erarbeitet, um einen Rückfall verhindern zu können. Das Beüben der kognitiven Fähigkeiten findet im täglichen „Mentaljogging“ statt und umfasst verschiedene Aufgaben, Arbeitsblätter oder spielerische Übungen.

Weitere Therapieelemente setzen sich aus dem Lebenspraktischen Training und der Vermittlung sozialer und medizinischer Informationen zusammen. Außerdem nehmen die Patienten die Angebote der Ergotherapie und Physiotherapie wahr.

In dem Workshop werden die Therapieziele, die sich aufgrund der schwerwiegenden Folgeschädigungen ergeben, erläutert und die daraus resultierenden Behandlungsbausteine vorgestellt, die im Fachkrankenhaus Bernburg die Therapie der chronisch mehrfach beeinträchtigten Abhängigen ausmacht. Dabei wird deutlich, dass sich eine Therapie auch bei schwerstabhängigen Patienten lohnt und welche Erfolge erzielt werden können, wenn die Therapieelemente eng mit der individuellen Planung der Nachsorge gekoppelt werden.