Klin Monbl Augenheilkd 2006; 223 - R21
DOI: 10.1055/s-2006-958751

Rheopherese bei altersabhängiger Makuladegeneration

HD Ayertey 1
  • 1Universitäts-Augenklinik Köln

Grundlagen: Bereits bei dem Frühstadium der altersabhängigen Makuladegeneration (AMD), bestehend aus Drusen und Pigmentverschiebungen können bereits Verzerrtsehen oder Leseschwierigkeiten zu erheblichen Beeinträchtigungen des zentralen Sehens führen, die mit steigender Lebenserwartung ein zunehmend größeres sozioökonomisches Problem darstellen.

Unterschiedliche pathophysiologische Mechanismen werden diskutiert, die kumulativ und multifaktoriell durch morphologische Veränderungen von Bruch'scher Membran und retinalem Pigmentepithel zur Manifestation der frühen Formen der AMD führen. Eine eher sekundäre Veränderung mit zunehmender Atrophie ist die häufig anzutreffende Involution der Choriokapillaris, die die regionale Perfusion reduziert und somit sowohl zur Verschlechterung der Funktion als auch zum Fortschreiten der morphologischen Veränderungen beitragen kann. Behandlungsziele bei Altersmakulopathie und Frühformen der trockenen AMD sind die bei dem vorliegenden Befund bestmögliche Stabilisierung bzw. Verbesserung der zentralen Sehkraft, die sich in Lebensqualität und Selbstständigkeit der Betroffenen widerspiegelt. Mangels allgemein anerkannter Behandlungsmöglichkeiten wird häufig nur eine gute internistisch-kardiovaskuläre Einstellung, sowie eine regelmäßige augenärztliche Kontrolle empfohlen. Bei der Rheopherese werden Fibrinogen und hochmolekulare Eiweiße aus dem Plasma entfernt. Neben anderen Effekten werden hierdurch auch die Blutfließeigenschaften deutlich verbessert, was zu messbaren Verbesserungen der okulären Hämodynamik führt (Brunner et al. 1997; Soudavar et al. 1998). In einer Kölner Studie konnte erstmals gezeigt werden, dass die Rheopherese den natürlichen Verlauf der AMD günstig beeinflussen kann, und dass Verbesserungen unter Rheopherese sogar über Jahre stabilisiert werden können (Brunner et al. 2000, Widder et al. 2004). Diese Ergebnisse konnten in einer amerikanischen Multizenterstudie bestätigt werden (MIRA-1 Study Group 2002). Zur Zeit wird eine große internationale Studie zur Rheopheresebehandlung bei AMD durchgeführt.

Therapeutische Aphereseverfahren, zu denen auch die Rheopherese zählt, werden seit Jahrzehnten in der inneren Medizin erfolgreich und auf hohem Sicherheitsniveau eingesetzt (Norda et al. 2003). Die Sicherheit der Rheopherese wird durch eine umfangreiche Dokumentation im internationalen RheoNet-Register belegt (Klingel et al. 2004).

Die Behandlungen und Krankheitsverläufe werden zur Qualitätssicherung durch das Apherese Forschungsinstitut http://www.apheresis-research.de dokumentiert. Dieses „Kölner Modell“ ist ein Beispiel interdisziplinärer Zusammenarbeit und Qualitätssicherung, und dient anderen Städten bereits als Vorbild.

Praktische Durchführung: Für eine Rheopherese-Behandlung kommen nach entsprechender Aufklärung Patienten mit folgender Befund-Konstellation infrage:

Das betroffene Auge hat

  • eine trockene AMD

  • weiche Drusen, Pigmentverschiebungen, Demarkierung

  • einen Visus von 0,1 (20/200) bis 0,63 (20/32)

  • KEINE Exsudation, Blutung, Fibrose oder fortgeschrittene Atrophie

Anmerkung: Späte AMD am Partnerauge ist keine Kontraindikation

Abb. 1: Fundusfoto eines Patienten mit trockener AMD mit weichen Drusen und Pigmentepithelverschiebungen.

Indikationsstellung, Untersuchung und Führung des Patienten obliegen hierbei dem Augenarzt.

Nach erfolgter Indikationsstellung stellt sich der Patient im Rheopheresezentrum zur internistischen Eingangsuntersuchung und ausführlichen Beratung über die Rheopherese vor. Liegen keine medizinischen Hindernisse (Kontraindikationen) vor, erfolgt die initiale Therapieserie bestehend aus 8 Einzelbehandlungen im Zeitraum von 10–13 Wochen. Danach führt der Augenarzt eine Kontrolluntersuchung durch.

In 3–6-monatigen Abständen sollte eine augenärztliche Verlaufsuntersuchung erfolgen, und die Notwendigkeit zur Wiederholungsbehandlung („Booster-Behandlung“) mit einer oder mehreren Rheopheresen nach individueller Erfordernis überprüft werden. Langfristig ist meist eine Wiederholung der Rheopherese 1–2-mal jährlich erforderlich.

Die Rheo–pherese wird ambulant durchgeführt und dauert ca. 3 Stunden. Diese Zeit verbringt der Patient in einer bequemen Behandlungsliege.

Abb. 2: Vereinfachte Darstellung der Rheopherese; Erläuterungen siehe Text.

Wie bei der Blutspende erfolgt der Gefäßzugang über periphere Venen des Patienten (siehe Abb. 2). Das Blut wird aus der Vene entnommen und mithilfe einer Pumpe (2) durch zwei Filter (3;4) geleitet. Im ersten Filter wird das Blutplasma von den Blutzellen getrennt (3). Im zweiten Filter, dem speziellen Rheofilter (4), werden Fibrinogen und hochmolekulare Eiweiße aus dem Plasma entfernt. Danach wird das so aufbereitete Plasma mit den Blutzellen wieder zusammengeführt (5), dem Patienten in eine andere Vene zurückgegeben und gelangt so zurück in den Blutkreislauf. Schlauchsystem und Filter sind sterile Einmalprodukte. Der Patient erhält bis auf Heparin, welches die extrakorporale Blutgerinnung verhindert, keine Medikamente.

Die Durchführung der Rheopherese ist nicht nur in Köln, sondern auch in ganz Deutschland flächendeckend möglich.

Kosten: Eine einzelne Rheopheresebehandlung kostet ca. 1500 Euro, bei den zu Beginn empfohlenen Behandlungen entstehen somit Kosten von ca. 12.000 Euro.

Die Rheopherese zählt damit zu den teuren Therapieverfahren der AMD und liegt in ähnlicher Größenordnung wie die meist mehrfach zu wiederholende Photodynamische Therapie und Injektionen von Arzneimitteln in das Auge bei der „feuchten“ AMD.

Während auch sehr teure Arzneimittel-Innovationen nach Zulassung für Kassenpatienten verordnungsfähig sind, müssen sich medizintechnische Verfahren vor einer geregelten Kostenerstattung neben der Zulassung nach dem Medizinproduktegesetz einer Bewertung durch den Bundesausschuss stellen. Die Rheopherese ist gemäß Medizinproduktegesetz zur Therapie der AMD zugelassen. Der Bundesausschuss der Ärzte- und Krankenkassen hat jedoch am 24. 3. 2003 abgelehnt die Rheopherese bei AMD vor Beendigung der großen Multizenterstudie in die vertragsärztliche Versorgung aufzunehmen. Die Aufnahme neuer Therapieverfahren in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen gerade bei teuren Verfahren, die überwiegend der Behandlung alter Menschen dienen, wird nicht mehr allein aus medizinischer Notwendigkeit heraus entschieden. Ökonomische Aspekte treten immer mehr in den Vordergrund.

Eine Kostenübernahme bei gesetzlich versicherten Patienten erfolgt daher nur in Ausnahmefällen auf Einzelantrag. Bei einigen privaten Kostenträgern sind die Behandlungskosten jedoch inzwischen erstattungsfähig. Im Ablehnungsfall durch die gesetzliche oder private Krankenkasse kann die Rheopherese nur als Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) angeboten und abgerechnet werden und geht damit alleine zu Lasten des Patienten.

Literatur:

Brunner R, Widder RA, Fischer RA, Walter P, Bartz-Schmidt KU, Heimann K, Borberg H (1997): Clinical efficacy of hemorheological treatment using plasma exchange, selective adsorption and cascade filtration in maculopathy, retinal vein occlusion and uveal effusion syndrom. Transfus Sci, 17: 493–498

Brunner R, Widder RA, Walter P, Lüke C., Godehardt E., Bartz-Schmidt KU, Heimann K, Borberg H (2000): Influence of membrane differential therapy on the natural course of age-related macular degeneration: a randomized trial. Retina 20(5):483–491

Klingel R, Fassbender C, Göhlen B, Wong D, Siegel I, Erdtracht B (2004): Rheonet – An international Apheresis registry for Rheopheresis: Update 2004. Kidney Blood Press Res 27 (5–6): 286.

MIRA Study Group and Pulido JS (2002): Multicenter prospective, randomized, double-masked, placebo-controlled study of rheopheresis to treat nonexsudative age-related macular degeneration: Interim Analysis. Trans. Am. Ophthalmol. Soc. Vol. 100, 85–107.

Norda R, Stegmayr BR, Swedish Apheresis Group (2003): Therapeutic apheresis in Sweden; update of epidemiology and adverse events. Transfus Apheresis Sci 29(2): 159–66.

Soudavar F, Widder RA, Brunner R, Walter P, Bartz-Schmidt KU, Borberg H, Heimann K (1998): Changes of retinal haemodynamics after elimination of high molecular weight proteins and lipids in patients with age-related macular degeneration. Invest Ophth Vis Sci, 39: S386

Widder RA, Reis RGJ, Farvili E, Ayertey HD, Walter P, Kirchhof B, Brunner R (2004): Morphologische Untersuchungen unter langfristiger therapeutischer Apherese bei altersabhängiger Makuladegeneration (ARMD), DOG Berlin 2004