Pneumologie 2007; 61(4): 226-227
DOI: 10.1055/s-2006-954967
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ATRA-Syndrom

ATRA-SyndromeJ.  Schreiber1 , R.  Kachel1 , A.  Florschütz1
  • 1Städtisches Klinikum Dessau, Akademisches Lehrkrankenhaus der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Abteilung für Pneumologie (Ltr.: PD Dr. J. Schreiber) und Abteilung für Hämatologie/Onkologie (Ltr.: Dr. A. Florschütz) der Klinik für Innere Medizin (Chefarzt: Prof. Dr. M. Plauth) und Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie/Neuroradiologie (Chefarzt: Prof. Dr. R. Kachel) Dessau
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Publication History

eingereicht 2. 9. 2006

akzeptiert 9. 10. 2006

Publication Date:
24 April 2007 (online)

Eine 59-jährige Patientin stellte sich mit einer ausgeprägten Leistungsinsuffizienz, Nachtschweiß, unproduktivem Husten und Belastungsdyspnoe vor. Der Allgemeinzustand war hochgradig reduziert. Bei sehr blassem Hautkolorit fielen multiple Hämatome auf ([Abb. 1]). Der Auskultationsbefund und die Röntgenuntersuchung der Thoraxorgane waren zu diesem Zeitpunkt unauffällig.

Abb. 1

Es wurde eine akute Promyelozytenleukämie mit einer ausgeprägten Anämie und primären hämorrhagischen Diathese diagnostiziert und eine Therapie mit ATRA ( = All-Trans-Retinol-Säure, Vesanoid®) durchgeführt. Nach initialer Stabilisierung entwickelte die Patientin Fieber und ein nichtkardiogenes Lungenödem, das wir als ATRA-Syndrom interpretierten ([Abb. 2]). Nach Beendigung dieser Medikation und Applikation von Prednisolon kam es zu einer baldigen Besserung und Normalisierung des Röntgenbefundes ([Abb. 3]).

Abb. 2

Abb. 3

Die akute Promyelozytenleukämie (APL) ist ein Subtyp der akuten myeloischen Leukämie. Die Standardtherapie besteht in einer Kombination aus einer Chemotherapie und der Applikation von ATRA (All-Trans-Retinol-Säure), wodurch Heilungsraten über 70 % erzielt werden. ATRA ist ein Vitamin A-Derivat, das die Ausreifung der unreifen Promyelozyten fördert. Die häufigste und schwerste Nebenwirkung ist das sogen. „ATRA-Syndrom” mit einer Inzidenz bis zu 30 %. Dieses Syndrom, dem pathogenetisch ein diffuses „capillary leak syndrome” infolge einer Zytokinfreisetzung aus den sich differenzierenden Promyelozyten zugrunde liegt, ist durch Fieber, respiratorische Insuffizienz, pulmonale Infiltrate sowie Pleura- und Perikardergüsse gekennzeichnet. Pulmonal kann sowohl ein Lungenödem, als auch ein diffuses alveoläres Hämorrhagiesyndrom vorliegen. Das Ansprechen auf eine systemische Glukokortikosteroidtherapie ist gut [1] [2].

Literatur

  • 1 DeBotton S, Dombret H, Sanz M. et al . Incidence, Clinical Features, and Outcome of All Trans-Retinoic Acid Syndrome in 413 Cases of Newly Diagnosed Acute Promyelocytic Leukemia.  Blood. 1998;  92 2712-2718
  • 2 Jung I J, Jung E C, Seong T H. et al . Radiologic Features of All-Trans-Retinoic Acid Syndrome.  AJR. 2002;  178 475-480

PD Dr. med. Jens Schreiber

Städtisches Klinikum Dessau · Abteilung für Pneumologie

06847 Dessau

Email: jens.schreiber@klinikum-dessau.de

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