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DOI: 10.1055/s-2006-954892
Photosensibilisierung: Risikovergleich von Johanniskrautextrakten gegenüber synthetischen Arzneistoffen
Phototoxische Reaktionen der Haut können durch eine Vielzahl systemisch oder topisch angewandter Medikamente verursacht werden.
Derzeit sind rund 290 auf dem deutschen Markt befindliche Arzneistoffe als so genannte „Photosensibilisatoren“ bekannt. Zu den Auslösern einer systemischen phototoxischen Arzneimittelreaktion gehören u.a. Diuretika wie Hydrochlorothiazid, Antiarrhythmika wie Amiodaron, nichtsteroidale Antiphlogistika wie Naproxen und Ketoprofen, antibakterielle Substanzen wie Fluorochinolone oder systemische Psoralene. Die Häufigkeit von Photosensibilisierungen durch ein Medikament hängt von seiner Photosensibilisierungspotenz, seiner Dosierung und von seiner Verordnungshäufigkeit ab. Entgegen landläufigen Vorstellungen wird Johanniskraut (Hypericum perforatum) als Auslöser phototoxischer Reaktionen erheblich überschätzt. Der so genannte Hypericismus wurde bei Tieren entdeckt, die in großen Mengen Johanniskraut fressen und dadurch eine krankhaft gesteigerte Empfindlichkeit der Haut gegenüber Sonnenlicht entwickeln. Die vom Menschen in Form von Tabletten oder Tee eingenommenen Mengen von Hypericin sind für gewöhnlich zu gering, um entsprechende Reaktionen hervorzurufen. Etwa 104 Millionen Tagesdosen Hypericin-haltige Antidepressiva werden jährlich verordnet. Trotz des häufigen Einsatzes von Johanniskrautextrakt wurde bei Gabe von niedrig dosiertem Hypericin als Antidepressivum bisher erst einmal eine erhöhte Photosensitivität unter Sonneneinwirkung beschrieben. Dieser sporadischen klinischen Beobachtung entsprechen zwei 2006 publizierte offene Phase-I-Studien. Sie zeigen, dass zwei unterschiedliche Hypericum-Extrakte [STW3=Laif® 600 (612mg) und STW3-VI=Laif® 900 (900mg)] in einer Dosierung, wie zur antidepressiven Behandlung empfohlen, sichere Medikamente sind. Nach Bestrahlung mit einem sonnenähnlichen Spektrum führten sie bei jeweils 20 gesunden Probanden zu keiner signifikant gesteigerten Lichtempfindlichkeit. Bei Exposition gegenüber extrem hohen Strahlendosen von künstlichen Strahlern können allerdings auch niedrige Hypericin-Dosen phototoxisch wirken. So wurden nach hoch dosierter UV-A1 (340–400 nm)- und nach Laser (532 nm bzw. 585 nm)-Therapie phototoxische Reaktionen beschrieben.
Wird reines Hypericin in hohen Dosen eingesetzt, beispielsweise bei HIV-Patienten zur Nutzung seiner antiviralen Wirkung, verursacht es unter Sonneneinwirkung bei knapp 50% der Anwender eine gesteigerte Lichtempfindlichkeit. Häufiger als Johanniskraut wirken synthetische Antidepressiva wie Amitriptylin, Trimipramin, Nortriptylin, Desipramin, Imipramin, Doxepin und Clomipramin sowie antipsychotische Mittel wie Chlorpromazin, Thioridazin, Chlorprothixen, Promethazin, Perazin, Fluphenazin, Promazin und Haloperidol photosensibilisierend.
Hydrochlorothiazid, ein Diuretikum, das nur eine mittlere Photosensibilisierungspotenz aufweist, wird von allen photosensibilisierenden Medikamenten in Deutschland am häufigsten eingesetzt.
Von diesem Medikament werden mindestens 1260 Millionen Tagesdosen jährlich verordnet. Hydrochlorothiazid ist die Hauptursache medikamentenbedingter gesteigerter Lichtreaktionen.
Das Antiarrhythmikum Amiodaron hat eine wesentlich stärkere phototoxische Potenz als Hydrochlorothiazid. Bei etwa 40% der Anwender treten verstärkte Rötungen in lichtexponierten Regionen auf. Da Amiodaron aber sehr viel seltener eingenommen wird als Hydrochlorothiazid (etwa 17,5 Millionen Tagesdosen pro Jahr), liegt die Anzahl phototoxischer Reaktionen auf Amiodaron vergleichsweise niedrig.