Zeitschrift für Palliativmedizin 2006; 7 - P2_1
DOI: 10.1055/s-2006-954143

Fehlende Vorhaltung von stark wirksamen Schmerzmitteln durch Apotheken in NRW

M Thöns 1 M Zenz 2,
  • 1Niedergelassener Anästhesist/ Palliativmediziner, Witten
  • 2Klinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin, BG-Kliniken Bergmannsheil, Bochum

Methoden: Mittels Recherche in einem Notdienstportal (www.apotheker-notdienst.de) wurden randomisiert 74 Apotheken in Nordrhein-Westfalen ausgesucht, die an einem Mittwochabend (30.11.05) angerufen wurden. Auskunft wurde erbeten, ob Morphin 10mg Ampullen und Morphin 2% Tropfen vorhanden oder besorgt werden könnten und ggfs. um die Angabe von Alternativen gebeten. Resultate: Von den 74 angerufenen Apotheken wurden 33 aus verschiedenen Gründen nicht erreicht. Von den verbleibenden 41 Apotheken gaben 6 (15%) keine Angaben am Telefon. 13 (32%) hatten Morphintropfen vorrätig oder konnten sie in Kürze besorgen, 9 (22%) Apotheken konnten Morphin 10mg Ampullen ausliefern. Nur bei 8 Apotheken (19,5%) waren beide Darreichungsformen vorrätig. Als Alternativen wurden einmal unretardierte Morphintabletten, zweimal retardierte Darreichungsformen (Pflaster, MST) angegeben. Diskussion/ Schlussfolgerung: Die Vorratshaltung ist in der Apothekenbetriebsordnung geregelt. Hier heißt es: „Der Apothekenleiter hat die zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung notwendigen Arzneimittel ... vorrätig zu halten, die mindestens dem durchschnittlichen Bedarf für eine Woche entspricht.“ In Anlage 2 sind Analgetika/ Betäubungsmittel aufgeführt. Aus der Formulierung „im Wochenbedarf“ wird verschiedentlich (z.B. Bundesopiumstelle) fehlerhaft gefolgert, es reiche, wenn diese Medikamente innerhalb von 24 Stunden besorgt werden könnten. Demgegenüber bestehe für diverse Antidote (z.B. gegen Cyanid- oder E-605-Intoxikationen) eine Vorhaltepflicht, hier heißt es: „Die in der Anlage 3 genannten Arzneimittel müssen vorrätig gehalten werden“. Ungeachtet der Tatsache, dass solche Intoxikationen in Deutschland auf wenige Einzelfälle beschränkt sind, ist es wirklichkeitsfern, dass ein Patient mit einer akut lebensbedrohlichen Vergiftung auf die Hilfe einer öffentlichen Apotheke angewiesen sein wird. Insofern wäre diese Verordnung dringend überarbeitungsbedürftig, hier ließen sich erhebliche Kosten einsparen. Wir halten eine Klarstellung, dass Apotheken Medikamente zur Versorgung von Patienten mit akut starken Schmerzen vorhalten müssen, für notwendig. Es ist aus schmerztherapeutischer Sicht einfach nicht akzeptabel, dass ein Tumorpatient mit starken Schmerzen von Samstagnachmittag bis Montagmittag auf die notwendige Schmerzmittelversorgung warten muss. Nach unserer Überzeugung müsste sichergestellt sein, dass stark wirksame Schmerzmittel in einer parenteral verabreichbaren und in einer schnell wirkenden Form (z.B. 2 x Morphin Tropfen 2% und 2 x Morphin Ampullen 10mg x 10) in öffentlichen Apotheken vorgehalten werden.