Aktuelle Neurologie 2006; 33 - P600
DOI: 10.1055/s-2006-953424

Posteriore Leukenzephalopathie: Therapierelevante Differentialdiagnostik bei systemischem Lupus erythematodes mit Nierenbeteiligung unter Immunsuppression

S.C. Bukow 1, J. Binder 1, W.H. Schmitt 1, M.G. Hennerici 1
  • 1Mannheim

Hintergrund: Das Syndrom einer reversiblen posterioren Leukenzephalopathie (rpL) ist durch verschiedene neurologische Symptome und bildgebende Veränderungen mit posterior betonten T2-Hyperintensitäten in der kranialen Magnetresonanztomographie (MRT) gekennzeichnet.

Fallkasuistik: Eine 20-jährige Patientin wurde mit einer Serie tonisch-klonischer Grand Mal-Anfälle bei bereits 6-wöchigen holocephalen Kopfschmerzen und Lidödemen aufgenommen. Bei seit 11 Monaten bekanntem systemischem Lupus erythematodes unter immunsuppressiver Therapie (Prednison, Cyclophosphamid, Mycophenolatmofetil) fand sich darüber hinaus eine hypertensive Entgleisung mit Werten um 180/110mm Hg. In der kranialen MRT zeigten sich posterior betonte, mit einer rpL vereinbare T2-Hyperintensitäten.

Bei immunsuppressiv behandelter Autoimmunerkrankung der Patientin ergaben sich an Differentialdiagnosen sowohl ein neuropsychiatrischer Lupus erythematodes, als auch erregerbedingte Veränderungen unter Immunsuppression (z.B. progressive multifokale Leukenzephalopathie), eine medikamentös-toxische Affektion durch die Immunsuppression oder Urämie- bzw. hypertensiv bedingte zerebrale Veränderungen. In der ausgedehnten Diagnostik (Serologie, Liquor) zeigten sich keine Anhaltspunkte für erstgenannte Ätiologien. Unter konsequenter analgetischer, antikonvulsiver und antihypertensiver Therapie waren Kopfschmerzen und MRT-Befunde rückläufig, die Patientin blieb anfallsfrei.

Schlussfolgerung: Cerebrale Veränderungen im Sinne einer rpL bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises unter Immunsuppression mit Nierenbeteiligung und Hypertonie erfordern eine differenzierte ätiologische Klärung mit je nach Ergebnis diametral unterschiedlicher Therapie. Zum Ausschluss einer erregerbedingten Ätiologie steht die Liquor- und Serumdiagnostik im Mittelpunkt. Bei Fehlen diesbezüglicher Veränderungen und Vorhandensein einer Hypertonie ist unter der Annahme einer hypertensiv bedingten rpL zunächst eine konsequente Blutdrucksenkung erforderlich, erst bei fehlendem Effekt ist zur weiteren ätiologischen Klärung eine Hirnbiopsie oder Änderung der immunsuppressiven Behandlung zu erwägen.