Geburtshilfe Frauenheilkd 2006; 66 - PO_O_02_43
DOI: 10.1055/s-2006-952541

Vierfache Karzinomerkrankung bei einer Patientin mit Mutation im BRCA1-Gen – Fallbericht zum familiären Risiko für Mamma- und Ovarialkarzinom

K Kast 1, A Gatzweiler 1, S Krüger 2, K Friedrich 3, P Viehweg 4, K Weidner 5, W Distler 1
  • 1Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe; Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Dresden
  • 2Institut für Klinische Genetik, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden, Dresden
  • 3Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden, Dresden
  • 4Institut und Poliklinik für Radiologische Diagnostik, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden, Dresden
  • 5Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Dresden

Berichtet wird über eine Patientin mit vierfacher Karzinomerkrankung bei gleichzeitigem Vorliegen einer prädisponierenden Mutation im Tumorsuppressorgen BRCA1. Im 43. Lebensjahr erkrankte die Patientin erstmals an einem Mammakarzinom, welches mit Ablatio mammae behandelt wurde. Im 61. Lebensjahr wurde die Erkrankung der kontralateralen Brust diagnostiziert und ebenfalls ablativ operiert. Wegen eines Nierenzellkarzinoms erfolgte im gleichen Jahr die Nephrektomie rechts. Im Frühjahr 2005 wurden multiple Kolonpolypen sowie ein tubulovillöses Rektumadenom endoskopisch reseziert und im August 2005 wurde bei der inzwischen 63-jährigen Patientin ein fortgeschrittenes Ovarialkarzinom diagnostiziert.

Bei vier weiteren an einem Mammakarzinom erkrankten Familienangehörigen mütterlicherseits, wurde bereits nach der zweiten Karzinomerkrankung der Patientin die molekulargenetische Diagnostik in den beiden Brustkrebsgenen BRCA1 und BRCA2 durchgeführt, welche den Nachweis einer pathogenen Mutation im BRCA1-Gen erbrachte. Wegen ihres damit erhöhten Risikos für ein Ovarialkarzinom wurde der Patientin die prophylaktische Salpingoovarektomie empfohlen. Sie entschied sich jedoch für intensivierte Vorsorgeuntersuchungen mit halbjährlicher transvaginaler Sonographie der Ovarien und Bestimmung des Tumormarkers CA 12–5. Die bekannte niedrige Sensitivität der letztgenannten Maßnahmen wurde durch die verspätete Diagnose des Ovarialkarzinoms belegt. Bei einer steigenden Anzahl von Patientinnen, die sich für eine molekulargenetische Diagnostik in den beiden Brustkrebsgenen BRCA1 und BRCA2 entscheiden, sollte der Stellenwert prophylaktischer Operationen offener diskutiert werden. In den Zentren des Konsortiums „Familiärer Brust- und Eierstockkrebs“ werden Patientinnen, die ein hohes Risiko für mehrfache Karzinomerkrankungen aufweisen, über präventive Maßnahmen informiert und unter Einbeziehung erfahrener Humangenetiker, Radiologen und Psychoonkologen umfassend interdisziplinär betreut.