Geburtshilfe Frauenheilkd 2006; 66 - FV_K_02_17
DOI: 10.1055/s-2006-952258

Die larvierte Belastungsinkontinenz–eine Fehldiagnose?

K Jundt 1, V Nobis 1, K Pohl 1, U Peschers 2
  • 1Ludwig-Maximilians-Universität München, I. Frauenklinik-Innenstadt, München
  • 2Frauenklinik - Beckenbodenzentrum Oberbayern, Dachau

Vor einer Prolapsoperation werden Frauen einer urogyn. Diagnostik unterzogen (Streß-/Vorlagentest, urodyn. Messung unter Reposition). Eine larvierte Belastungsinkontinenz wird definiert als Urinverlust bei voller Blase unter Reposition. In der Vergangenheit wurden diese Patientinnen gleichzeitig mit einer Inkontinenzoperation versorgt, was manchmal zu einer Blasenentleerungsstörung führte. Inzwischen wird in unseren Kliniken das zweizeitige Vorgehen favorisiert. Wieviele Frauen mit larv. Belastungsinkontinenz anschließend noch eine Inkontinenzoperation benötigten, war Ziel unserer Studie. Methodik: Insgesamt wurden 233 Pat. mit Prolapsoperationen eingeschlossen. 53 Frauen erhielten eine urodyn. Messung sowie einen Stress- und Vorlagentest. Postoperativ erhielten alle für mind. 6 Monate eine lokale Östrogenisierung. Bei Auftreten einer relevanten Belastungsinkontinenz wurde sekundär ein Inkontinenzeingriff durchgeführt. Ergebnisse: Von den 233 Patientinnen wurden 68 (29,2%) mit einer prim. Deszensusoperation von vaginal oder laparoskopisch operiert (z.B. vag. Hysterektomie mit Kolporrhaphien). Bei 165 (70,8%) der Patientinnen lag ein Rezidiv vor, das in 72 Fällen (31,0%) von vaginal (z.B. Sakrospinale Fixation nach Amreich-Richter) und in 93 Fällen (39,9%) von abdominal (z.B. laps. / abd. Sakrokolpopexie) versorgt wurde. Präoperativ wurde bei 19/ 53 (35,8%) mit präoperativer Urodynamik eine larv. Belastungsinkontinenz nachgewiesen. Postoperativ persistierte die Inkontinenz nur in 3 Fällen (5,7%), Aus dem Gesamtkollektiv trat bei 18 von 233 Frauen (7,7%) eine operationsbedürftige Belastungsinkontinenz auf, die in der Regel mit einem TVT-Band problemlos therapiert wurde. Schlussfolgerung: Offensichtlich ist die postop. in den Vordergrund tretende larvierte Belastungsinkontinenz nur ein seltenes Ereignis (7,7%). Als Ursache kommt einerseits eine niedrige Prävalenz (hier jedoch 35,8%) oder die partielle Wirkung der Deszensusoperationen als Inkontinenzeingriff in Frage.