Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2006; 38(4): 166-167
DOI: 10.1055/s-2006-952106
Forschung
Neues aus der Onkologie
Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Neuer Ansatz für Krebstherapie und neuer Tumormarker entdeckt

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
28. Dezember 2006 (online)

Am Max-Planck-Institut für experimentelle Medizin in Göttingen fand das Wissenschaftler-Team von Prof. Walter Stühmer in Zusammenarbeit mit dem Pathologischen Institut der dortigen Universität sowie dem Nationalen Krebsinstitut Brasiliens in Rio de Janeiro einen neuen vielversprechenden Ansatz zur Krebstherapie wie zur -diagnose. Sie entdeckten, dass Tumorzellen überdurchschnittlich häufig den Ionenkanal EAG-1 exprimierten. In einer sich anschließenden Studie zeigten 77 % der Fälle von insgesamt 756 Patienten diese starke Überexpression von EAG-1. Dass das überdurchschnittlich häufige Auftreten des Kanalproteins auf der Zelloberfläche direkt mit der Präsenz von Tumoren korreliert ist, zeigten weitere Untersuchungen an Zellen, die mehrere Monate nach dem Ausbruch des Tumors entnommen wurden und eine deutlich erhöhte Exprimierung von EAG-1 aufwiesen. Damit war eine Korrelation zwischen der vermehrten Präsenz von EAG-1-Kaliumkanälen und dem Auftreten von Tumorerkrankungen nachgewiesen. Mit der rekombinanten Gentechnik wurde danach wie bei Herceptin ein Antikörper hergestellt, der zum Nachweis von EAG-1 führt und somit zur Diagnose von Tumoren eingesetzt werden kann. Dass das EAG-1-Protein gewöhnlich und in niedrigen, gleich bleibenden Mengen nur im Gehirn des Menschen sowie an wenigen Stellen im Körper zu lokalisieren ist, zeigten die anschließenden Versuche mit dem neuen Tumormarker auf der Basis eines EAG-1-Antikörpers.

In einem zweiten Arbeitsschritt befassten sich die Max-Planck-Forscher mit Weichteilsarkomen, die summarisch zwar nicht einmal 1 % aller Krebsarten darstellen, jedoch überwiegend schlechte Prognosen aufweisen mit einer Sterblichkeitsrate von über 40 % im ersten Jahr nach Diagnosestellung. Hier wurde in durchschnittlich 71 % der Sarkome das überexprimierte EAG-1-Kanalprotein nachgewiesen. Die Spanne reichte von 56 % bei Liposarkomen bis 82 % bei Rhabdomyosarkomen. Unterschiedliche Expressionsmengen von EAG-1 können nach Prof. Walter Stühmer nur dem histologischen Typ des Tumors zugerechnet werden, nicht jedoch dem Geschlecht oder dem Alter der Patienten. Wurde experimentell die EAG-1-Expression unterdrückt durch RNA-Interferenz, zeigte sich danach eine verminderte Zellproliferation.

Da die EAG-1 genannten Kaliumkanäle sich auf den Oberflächen der Zellen befinden, können sie gezielt pharmakologisch angegriffen werden. Weil sie überdies nur an wenigen Stellen im Körper des Menschen zu lokalisieren sind, wie die Versuche mit dem Tumormarker zeigten, könnten auf der Basis dieser neuen Erkenntnisse mit EAG-1 neue Krebstherapien und -medikamente mit nur sehr geringen Nebenwirkungen entwickelt werden. Der neue Tumormarker mit EAG-1-Antikörpern wäre rasch verfügbar, jedoch wird es bis zur Entwicklung neuer Krebsmedikamente noch einige Jahre dauern, teilte Prof. Stühmer abschließend mit.

Quellen: Pressinformation Max-Planck-Gesellschaft vom 17.10.2006.
Hemmerlein B, Weseloh RM, Mello de Queiroz F, Knötgen H, Sánchez A, Rubio ME, Martin S, Schliephacke T, Jenke M, Radzun H-J, Stühmer W, Pardo LA: Overexpression of Eag1 potassium channels in clinical tumours. Molecular Cancer. 2006;5:41.
Mello de Queiroz F, Suarez-Kurtz G, Stühmer W, Pardo LA: Ether à go-go potassium channel expression in soft tissue sarcoma patients. Molecular Cancer. 2006;5:42.

Richard E. Schneider

Tübingen