Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2006; 38(3): 132
DOI: 10.1055/s-2006-952061
Forschung
Neues aus der Onkologie
Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Wie beeinflusst die Psyche das Überleben bei Brustkrebs?

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Publication Date:
21 September 2006 (online)

Die psychologische Reaktion innerhalb von wenigen Wochen nach der Diagnosestellung Brustkrebs soll den Krankheitsverlauf und das Überleben beeinflussen. Ob die Reaktion des Patienten ein Prognosefaktor für das Überleben nach Brustkrebs darstellt, ist weiterhin umstritten.

Die psychologische Reaktion auf die Diagnose Brustkrebs kann von kämpferischer Geisteshaltung über hilf- und hoffnungsloses Verhalten bis hin zur Depression reichen. U. Watson et al. beschreiben die Ergebnisse einer Kohortenuntersuchung bei Frauen mit der Diagnose Brustkrebs nach 10 Jahren Nachbeobachtung, wobei eine erste Auswertung bereits nach 5 Jahren veröffentlicht wurde (Eur J Cancer. 2005; 41: 1710-1714). 578 Patientinnen mit Brustkrebs in Stadium I und II wurden innerhalb von 4 bis 12 Wochen nach der Diagnosestellung auf ihre psychologische Reaktion auf die Diagnose untersucht. Mit der MAC-Skala (Mental Adjustment to Cancer) wurde die initiale Antwort bezüglich Hilfs- und Hoffnungslosigkeit gegenüber der Krebsdiagnose und mit der HAD-Skala (Hospital Anxiety and Depression) die Ängste und Depressionen erfasst. Das Gesamtüberleben und das krankheitsfreie Überleben der Kohorte wurden erhoben.

Innerhalb von 10 Jahren verstarben insgesamt 221 Patientinnen (38,2 %), davon 184 (31,8 %) an Brustkrebs. Von den überlebenden Patientinnen waren nach 10 Jahren 307 (53,1 %) rezidivfrei und 49 (8,5 %) überlebten mit Rezidiv. Die Effekte der psychologischen Reaktion auf das Überleben bei Brustkrebs wurden mit Hilfe des proportionalen Hazard Modells (Cox-Modell) analysiert. Eine zu Beginn der Erkrankung an den Tag gelegte kämpferische Geisteshaltung führte hierbei nicht zu einer besseren Überlebensrate. Ein geringeres Gefühl der Hilf- und Hoffnungslosigkeit zeigt in dieser Untersuchung jedoch einen positiven Einfluss auf das Überleben bei Patienten mit Brustkrebs (adjustiertes Hazard Ratio 1,53; 95 % Confidence Intervall 1,11-2,11). Ein vergleichbares Ergebnis hatte sich schon bei der Auswertung nach 5 Jahren gezeigt und dieser Effekt hielt auch über die Studiendauer von 10 Jahren an. Einen Zusammenhang zwischen einer Depression bei Diagnosestellung und der Überlebensrate bei Brustkrebs konnte auch nach 10 Jahren Nachbeobachtung nicht aufgezeigt werden.

Obwohl die Ergebnisse einen Effekt der frühen psychologischen Reaktion der Hilf- und Hoffnungslosigkeit bei Diagnosestellung Brustkrebs auf das krankheitsfreie Langzeitüberleben sowohl bei 5 als auch bei 10 Jahren Nachbeobachtung zeigen, ist nicht geklärt, wie oder warum dies so ist. Es werden viele Mechanismen diskutiert wie Einfluss auf Immunstatus oder Stresshormone. Konkrete Aussagen können aber nur nach weiteren umfangreichen Studien gemacht werden, die auch versuchen, Mechanismen aufzuklären und Therapiestrategien zu entwickeln.

Fazit: Die Autoren werten ihre Ergebnisse als Hinweise darauf, dass eine psychologische Reaktion der Hilf- und Hoffnungslosigkeit bei der Diagnose Brustkrebs schon früh einen Hinweis auf das krankheitsfreie Überleben geben kann. Bei Patientinnen mit starken Gefühlen der Hilf- und Hoffnungslosigkeit sollte deshalb eine gezielte psychologische Behandlung angeraten werden.

Dr. Ursula Zimmer

Pfinztal