Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2006; 38(3): 131-132
DOI: 10.1055/s-2006-952060
Forschung
Neues aus der Onkologie
Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Wie Abwehrzellen des Immunsystems zu Krebs-Mittätern werden

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Publication Date:
21 September 2006 (online)

Statt Tumore zu bekämpfen, fördern Fresszellen (Makrophagen) manchmal deren Aggressivität. Wissenschaftler am Uniklinikum Göttingen beschreiben Signalwege, die daran beteiligt sind.

Fresszellen (Makrophagen) des Immunsystems haben die Aufgabe, zwischen „Freund” und „Feind” zu unterscheiden und dabei zu helfen, die „Feinde” zu eliminieren. Zu den Feinden zählen Bakterien, Viren und auch körpereigene Zellen, die zu Tumorzellen entartet sind. In unmittelbarer Nähe von Tumoren kehrt sich das Verhalten der Makrophagen aber offenbar um: Sie fördern hier die Streuung von Krebszellen in entfernte Gewebe (Metastasierung). In welcher Form Signalmoleküle der „Wnt-Familie” an der Umwandlung der Fresszellen zu „Dienern” der Tumore beteiligt sind, haben Wissenschaftler der Abteilung Hämatologie und Onkologie (Direktor: Prof. Dr. Lorenz Trümper) am Bereich Humanmedizin der Universität Göttingen untersucht (Pukrop T, Klemm F, Hagemann Th, Gradl D, Schulz M, Siemes S, Trümper L, Binder C: Wnt 5a signaling is critical for macrophage-induced invasion of breast cancer cell lines. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS). 2006; 103 (14): 5454-9).

Die Göttinger Forscher hatten beobachtet, dass Makrophagen die Aggressivität von Krebszellen steigern, wenn sie mit ihnen gemeinsam in der Kulturschale gezüchtet werden. Im Kulturmedium fanden sie das Signalmolekül Wnt 5a. Bisher galt Wnt 5a als Gegenspieler bei der Entstehung von Tumoren. Doch im Umfeld von Tumorzellen scheint das Signalmolekül andere Funktionen zu übernehmen. Wnt 5a-produzierende Makrophagen fördern nun die Metastasierung von Tumoren, indem sie das Bindegewebe um sich herum für auswandernde Krebszellen durchlässig machen. Wie es den Krebszellen gelingt, die Makrophagen für ihre Zwecke umzupolen, ist noch unklar.

„Es war seit längerem bekannt, dass Makrophagen in Tumore einwandern. Unklar war aber, warum sie einwandern und was sie dort tun. Diesen Fragen sind wir deutlich näher gekommen. Jetzt wollen wir die Signale finden, mit denen Tumore die einwandernden Makrophagen für ihre Zwecke umprogrammieren. Gelingt uns das, können wir hoffentlich therapeutische Ansätze entwickeln, mit denen die ‚abtrünnigen’ Makrophagen wieder zurück in den Dienst des Körpers gestellt werden können”, sagt Prof. Dr. Lorenz Trümper.

„Unsere Ergebnisse sind ein gutes Beispiel dafür, wie Forscher mit unterschiedlichem wissenschaftlichen Hintergrund gemeinsam neue Ansätze in der angewandten Grundlagenforschung entwickeln können. Das ist Synergismus”, so Prof. Dr. Claudia Binder, Oberärztin in der Abteilung Hämatologie und Onkologie. Sie hat ihre Expertise über Makrophagen in das Projekt eingebracht, während Assistenzarzt Dr. Tobias Pukrop seine Fachkenntnisse über zelluläre Signalwege beisteuerte. „Auf Grundlage unserer Veröffentlichung in der Zeitschrift ‚PNAS’ haben wir jetzt Fördergelder für ein großes, fächerübergreifendes Forschungsprojekt bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft beantragt. Unser Ziel ist es, die Funktionen von Wnt- und Wnt-verwandten Signalen in der Embryonal- und der Tumorentwicklung genauer zu untersuchen”, sagt Dr. Pukrop.

Prof. Dr. Lorenz Trümper  (Direktor der Abteilung)
Prof. Dr. Claudia Binder

Bereich Humanmedizin -
Georg-August-Universität Göttingen,
Abteilung Hämatologie und Onkologie

Robert-Koch-Str. 40

37075 Göttingen