PiD - Psychotherapie im Dialog 2007; 8(1): 93-94
DOI: 10.1055/s-2006-951998
DialogBooks
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Buchempfehlungen

Volker  Köllner
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Publication Date:
13 March 2007 (online)

Ernst-Jürgen Borgart, Rolf Meermann: Stationäre Verhaltenstherapie.
Bern: Verlag Hans Huber, 2004.
365 Seiten, 29,95 €. ISBN 3-456-84137-X

Nachdem der „Klassiker” zu diesem Thema, das 1994 von Zielke und Sturm herausgegebene Handbuch Stationäre Verhaltenstherapie, schon seit einigen Jahren nicht mehr erhältlich ist, liegt nun mit dem Werk von Borgart und Meermann erfreulicherweise wieder ein Buch zur stationären Verhaltenstherapie vor. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um ein vollständiges Handbuch, sondern um die Darstellung der Therapiekonzepte und der Evaluationsdaten der Psychosomatischen Fachklinik Bad Pyrmont. Was dem Buch fehlt, ist ein einleitender Teil mit einer Übersicht über die historische Entwicklung und aktuelle Konzepte der stationären Verhaltenstherapie allgemein sowie Studien zu ihrer Wirksamkeit. Ebenso wenig finden sich Informationen zur Differenzialindikation zwischen ambulanter sowie teil- und vollstationärer Verhaltenstherapie. Dieser Nachteil wird jedoch mehr als ausgeglichen durch die Anschaulichkeit und die Praxisnähe, mit der die einzelnen Therapieelemente beschrieben werden. Dargestellt werden sowohl das Behandlungskonzept, das System der Qualitätssicherung sowie die Organisations- und Ablaufpläne der Gesamtklinik als auch einzelne störungsspezifische und diagnoseübergreifende Konzepte. Da die Psychosomatische Fachklinik Bad Pyrmont nahezu das gesamte Spektrum der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie abdeckt, ist das Spektrum der dargestellten störungsspezifischen Konzepte entsprechend breit: Anorexie/Bulimie, Essstörung mit Adipositas, Angststörungen, Posttraumatische Belastungsstörung, Depression, Zwangsstörungen, Chronische Schmerzsyndrome, Schlafstörungen.

Ergänzt werden die störungsspezifischen Konzepte durch die Beschreibung diagnoseübergreifender Gruppentherapien wie Training sozialer Fertigkeiten, Entspannungstraining, Genussgruppe, Körperwahrnehmungsgruppe sowie den Einführungskurs für neu aufgenommene Patienten. Hinzu kommen für die psychosomatische Rehabilitation spezifische Konzepte wie berufliche Belastungserprobung und Nachsorgeprogramme.

Die Kapitel zu den störungsspezifischen und diagnoseübergreifenden Therapiekonzepten und -bausteinen enthalten jeweils kurze Abschnitte über das Störungsbild, Problem- und Zielanalyse, sowie Therapiedurchführung und -evaluation. Es folgen eine Literaturübersicht und die in der Klinik verwendeten Therapiematerialien wie z. B. Informationsblätter und Protokollbögen für PatientInnen und Manuale für TherapeutInnen mit detaillierten Beschreibungen der einzelnen Therapiesitzungen.

Abgerundet wird das Buch mit der Darstellung der Evaluationsdaten von inzwischen über 20 000 in der Klinik behandelten Patientinnen und Patienten.

Zusammenfassend kann das Buch nur als Fundgrube für VerhaltenstherapeutInnen in Klinik und Praxis bezeichnet werden. Es gibt einen Einblick in die Leistungsfähigkeit moderner, störungsspezifischer stationärer Verhaltenstherapie und beschreibt empirisch abgesicherte Behandlungskonzepte so detailliert, dass sie in der Einzel- und vor allem Gruppentherapie verwendet werden können. Den Autoren gebührt besonderer Dank dafür, dass sie in einer Zeit zunehmenden Konkurrenzdrucks zu dieser Transparenz und Kollegialität bereit sind.

Henning Schauenburg, Gerhard Hildenbrand, Uwe Koch, Dankwart Mattke, Heinz Neun, Heinz Rüddel: Klinikführer Stationäre psychosomatisch-psychotherapeutische Einrichtungen.
Stuttgart: Schattauer, 2006.
192 Seiten, 1 Abb., 1 Tab., kartoniert. ISBN 978-3-79452530-0

In keinem anderen Land gibt es solch ein ausdifferenziertes System der stationären Versorgung in den Bereichen Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Im Jahr 2002 gab es im Bereich der Krankenhausversorgung 81 Fachabteilungen an Universitätskliniken und Allgemeinkrankenhäusern sowie Fachkrankenhäuser mit zusammen fast 3000 Betten. Hinzu kommen in der psychosomatischen Rehabilitation über 15 000 Betten in 175 Einrichtungen. Alle diese Einrichtungen unterscheiden sich durch ihre psychotherapeutische Grundorientierung, störungsspezifische Therapiekonzepte sowie die personelle Ausstattung, Kostenträger und den Standard der Qualitätssicherung. Sowohl PatientInnen als auch zuweisende ÄrztInnen und PsychologInnen haben somit die „Qual der Wahl”, wenn es um die Entscheidung für eine stationäre Behandlung geht. Grundlage für eine solche Unterscheidung kann nur eine solide und umfassende Information über die jeweiligen Kliniken und ihre Behandlungsschwerpunkte sein.

Diese Information liefert der nun vorliegende „Klinikführer Stationäre psychosomatisch-psychotherapeutische Einrichtungen”. Ein Herausgebergremium, das Kompetenz aus den unterschiedlichen Bereichen stationärer Psychotherapie und Psychosomatik sowie der Versorgung zusammenführt, setzt mit diesem Werk die bewährte Tradition des „Neun-Buches” fort, das mit seinen drei Auflagen von 1987 bis 1994 gute Dienste bei der Auswahl geeigneter Kliniken geleistet hat. Zunächst gibt ein Einführungsteil Überblick über die historische Entwicklung sowie Versorgungs- und Organisationsstrukturen stationärer Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland. Dargestellt werden sowohl die Grundkonzepte als auch epidemiologische Daten zu den Bereichen Universitätsabteilungen und -kliniken, Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern, psychotherapeutische Abteilungen in psychiatrischen Kliniken, Fachkrankenhäuser und Rehabilitationskliniken ebenso wie rechtliche Grundlagen und Differenzialindikationen der unterschiedlichen Versorgungsebenen.

Der gleichen Gliederung folgt im „Verzeichnis der Kliniken” die strukturierte Beschreibung von über 140 Einrichtungen mit den Angaben zu Adresse, Ansprechpartnern, Kostenträgern, voll- und teilstationären sowie ambulanten Therapieangeboten und Behandlungsschwerpunkten, personeller Ausstattung und Struktur der Klinik, therapeutischer Ausrichtung, Weiterbildungsbefugnis und Qualitätsmanagement. Die Daten wurden mit Hilfe eines Fragebogens erhoben und vom Herausgebergremium auf ihre Plausibilität überprüft. Die Aufnahme in den Klinikführer war für die befragten Einrichtungen kostenlos und das Buch ist frei von Inseraten von Klinikträgern oder anderen kommerziellen Interessengruppen. Damit hebt sich dieses Buch sehr wohltuend von kommerziell orientierten Führern ab, die zum Teil erhebliche Summen für die Aufnahme in ihre Verzeichnisse verlangen und zusätzlich noch Werbung enthalten. Dies ermöglicht zwar Hochglanz-Abbildungen der Kliniken, der Preis hierfür besteht jedoch im Verlust von Repräsentativität und Unabhängigkeit. Dieser Versuchung hat der hier vorliegende Klinikführer widerstanden, was zu einer vergleichsweise unaufwendigen Gestaltung und dem Verzicht auf farbige Abbildungen der Kliniken führt. Da sich diese jedoch auf den im Buch aufgeführten Websites der Kliniken finden lassen, ist dies kein wirklicher Verlust.

Der Klinikführer bietet also einen soliden und anschaulichen Überblick über die Leistungsfähigkeit und die Versorgungsstrukturen stationärer Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland. Das Klinikverzeichnis ist klar und übersichtlich gegliedert und mit über 140 aufgeführten Einrichtungen als repräsentativ anzusehen. Diesem Buch ist eine weite Verbreitung zu wünschen. Es stellt für ambulant tätige ärztliche und psychologische PsychotherapeutInnen sowie ÄrztInnen anderer Fachgebiete, die ihren PatientInnen eine auf soliden Informationen beruhende Empfehlung zur stationären Therapie geben wollen, eine große Hilfe dar.

Michael Linden, Walter E. Müller: Rehabilitations-Psychopharmakotherapie.
Köln: Deutscher Ärzte-Verlag, 2005.
414 Seiten, 69,95 €. ISBN 3769104730

Bei der Therapie mit Psychopharmaka trifft der häufig zitierte Begriff der „Über-, Unter- und Fehlversorgung” im Gesundheitswesen in besonderer Weise zu: Ein Teil der PatientInnen wird nicht mit Psychopharmaka behandelt, obwohl sie eigentlich davon profitieren könnten und auch eine entsprechende Evidenz für eine Pharmakotherapie vorliegt, ein anderer Teil wird behandelt, obwohl dies nicht notwendig wäre, und ein weiterer Teil wird mit den falschen Medikamenten oder einer unzureichenden Dosierung behandelt. Ein besonderes Problem ist hierbei, dass die Langzeittherapie psychischer Erkrankungen andere Kompetenzen erfordert als die Akutbehandlung. Rationale und evidenzbasierte Algorithmen sind für die Langzeitbehandlung von chronifizierten psychischen Störungen erst in Ansätzen bekannt.

Das von Linden und Müller herausgegebene Buch ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg, diese Lücke zu schließen. Angestrebt wird ein Paradigmenwechsel von der Therapie einzelner Krankheitsepisoden hin zur Rehabilitationspsychopharmakotherapie als Behandlung von Krankheitsentwicklungen. Das Buch beginnt mit einem Überblick über die besonderen Aufgabenstellungen dieses Gebiets und die Epidemiologie sowie den Therapiebedarf bei chronischen psychischen Erkrankungen und die Integration der Pharmakotherapie in den Gesamtbehandlungsplan der stationären Rehablilitation.

Die folgenden Kapitel behandeln zentrale Themen der Langzeitbehandlung mit Psychopharmaka:

Compliance und Patientenbeteiligung Pharmakologie der Langzeitmedikation Sozialmedizinische Leistungsbeurteilung und Psychopharmaka Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit und der beruflichen Leistungsfähigkeit.

Hieran schließen sich die Kapitel zu den einzelnen Störungsbildern aus den Bereichen der Psychiatrie und der Psychosomatik an. Vervollständigt wird das Werk durch Kapitel zum Einsatz von Psychopharmaka bei komorbiden körperlichen Erkrankungen, Psychopharmaka induzierten Sexualstörungen und der Behandlung im Kindes- und Jugendalter.

Die hier auf ebenso fundierte wie anschauliche Weise dargestellten Möglichkeiten und Probleme der Langzeit-Therapie psychischer und psychosomatischer Erkrankungen sind keineswegs nur für ÄrztInnen in Rehabilitationskliniken relevant, sondern auch für alle ärztlichen PsychotherapeutInnen. Ihnen kann dieses Buch deshalb ebenso empfohlen werden wie psychologischen PsychotherapeutInnen, die sich einen fundierten Überblick über die Therapie chronischer psychischer Störungen mit Medikamenten verschaffen wollen. Besonders wertvoll wird das Buch durch die Darstellung der positiven und negativen Einflüsse von Psychopharmaka auf die Berufs- und Alltagswelt der Patienten und die besonderen Probleme der Einbeziehung der Patienten in die Langzeitbehandlung. Wünschenswert wäre allerdings ein Kapitel, das ausführlicher auf die Wechselwirkungen von Psychotherapie und Pharmakotherapie eingeht. Nicht behandelt wird leider die Frage, wann Psychotherapie alleine der kombinierten Behandlung gleichwertig oder - wie bei Phobien - sogar eher überlegen ist. Trotzdem ist dieses Buch sehr empfehlenswert und kann zu einer Verbesserung der Behandlungsqualität bei chronischen psychischen Störungen beitragen.

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