Z Gastroenterol 2006; 44 - K86
DOI: 10.1055/s-2006-951275

Koinzidenz eines primären Merkelzellcarcinoms im inguinalen Lymphknoten bei T2-Rektumcarcinom – eine diagnostische und therapeutische Herausforderung

N Begum 1, S Farke 1, HP Bruch 1
  • 1UKSH-Campus Lübeck, Klinik für Chirurgie, Lübeck, Germany

Ein 64-jähriger Patient wird im März 2004 mit einem tiefsitzenden Rektumcarcinom chirurgisch aufgenommen. Rechts inguinal fällt eine etwa 2,5cm großer Lymphknoten auf.

Es erfolgte die ultratiefe, anteriore Rektumresektion und die Anlage eines protektiven Ileostoma. Die histologische Auswertung zeigt ein Adenocarcinom des Rektum (pT2, pN1 (1/12 LK), G2, MX). Die Lymphknoten-Exstirpation der rechten Leiste zeigt ein wenig differenziertes, großzelliges, neuroendokrines Carcinom, das einem Merkelzellcarcinom entspricht und für den ein Primarius nicht lokalisiert werden kann.

Bei sehr reduziertem Allgemeinzustand mit hoher Komorbidität wird keine weitere adjuvante Therapie durchgeführt. Als prognoselimitierender Tumor wurde nach Datenlage das Merkelzellcarcinom angesehen. Der Patient wird betreut in ein Pflegeheim entlassen.

Im Verlauf stabilisiert sich der Patient sehr gut, so dass ein halbes Jahr später das protektive Ileostoma rückverlegt werden kann. Eine mögliche lokale Strahlentherapie als Rezidivprophylaxe für das Merkelzellcarcinom wird 6 Monate postoperativ nicht mehr für sinnvoll betrachtet.

2 Jahre später ist der Patient weiter tumorfrei für beide Tumore und in einem sehr guten AZ.

Bei der Diagnosestellung war die Lymphadenopathie rechts-inguinal als mögliche Fernmetastasierung des Rektumcarcinoms irreführend. In diesem Fall hat es das Therapieregime wegen des reduzierten AZ's nicht in Richtung einer neoadjuvanten Therapiestrategie geführt. Ein Primarius für das Merkelzellcarcinom konnte auch nach wiederholter Suche und Einbinden mehrerer Disziplinen nicht gefunden werden, so dass von einem Primarius im Lymphknoten ausgegangen werden muss. In der Literatur gibt es Einzelfallberichte, die diese Hypothese unterstützen, jedoch nicht belegen können, so dass auch an ein okkultes Merkelzellcarcinom gedacht werden muss. Dieser überraschend positive Verlauf auch nach 2 Jahren liefert jedoch nach wie vor keinen Anhalt für einen okkulten Primarius des Merkelzellcarcinom.