Z Gastroenterol 2006; 44 - K60
DOI: 10.1055/s-2006-951249

79-jährige Patientin mit dem Bild einer konsumierenden Erkrankung

T Brechmann 1, M Reiser 1, H Henke 2, J Timm 1, V Nicolas 3, W Schmiegel 1
  • 1Bergmannsheil Bochum, Gastroenterologie und Hepatologie, Bochum, Germany
  • 2St. Josef Krankenhaus Haan, Allgemeine Innere Medizin und Gastroenterologie, Haan, Germany
  • 3Bergmannsheil Bochum, Radiologie, Bochum, Germany

Anamnese: Eine 79 Jahre alte Patientin stelle sich wegen zunehmender Leistungsschwäche, Gewichtsverlust von 8kg und einer Stuhlfrequenz von 5- bis 6-mal täglich vor. Zusätzlich bestanden Beinödeme und Myalgien.

Befund: Gewicht 56kg bei 170cm (BMI 19,4kg/m2). Kalium 3,3 mmol/l, Gesamtprotein 4,7g/dl, Albumin 2,4g/dl, LDH 405 U/l, Hb 11,5g/dl, CRP <0,6mg/dl, MCV 83 fl, GOT 17 U/l, GPT 27 U/l, Ferritin mit 15µg/l, Vitamin B12 unter Substitution >2000 ng/l, Transglutaminase-Antikörper negativ. Calprotectin im Stuhl 775mg/kg, Alpha1-Antitrypsinclearance erhöht. Sonographie, obere und untere Intestinoskopie inklusive Stufenbiopsie, konventionelles und MR-Enteroklysma, Knochenmarkzytologie inklusive Immunphänotypisierung unauffällig. Im MRT der Leber zwei unklare Raumforderungen von 15mm Größe. Im CT Thorax bds. bis 6mm große Läsionen, Histologie nicht wegweisend. Laparoskopisch deutliche Kapselfibrose und Vorwölbung Segment II, histologisch Steatosis hepatis, kein bösartiges Wachstum. H2-Atemtests mit Laktose und Glukose normal. D-Xylose-Test mit H2-Anstieg nach 60 Minuten und verminderter Urinausscheidung. Diagnostische Maßnahmen: Eine Kapselendoskopie rief den V.a. eine Dünndarmdivertikulose mit diskreten Entzündungszeichen hervor. Die Push-and-Pull-Enteroskopie bis 280cm distal des Pylorus zeigte beginnend im Jejunum fuchsbauartige Divertikel. Eine Biopsie des Jejunum erbrachte eine partielle Zottenatrophie mit immunhistochemisch regelrechter CD8+ Lymphozyten-Zahl. Laktulose-Atemtest war pathologisch. Im Duodenalsaft gelang der Nachweis von E. coli.

Diskussion und Verlauf: Unter rotierender antibiotischer sowie probiotischer Therapie wird ein Rückgang der klinischen und laborchemischen Befunde mit ansteigendem Hb-Werten und Normalisierung der LDH sowie Gewichtszunahme beobachtet. Als pathogenetisch wirksame Faktoren sind eine beschleunigte Passagezeit, eine bakterielle Übersiedlung des Dünndarmes bei Dünndarmdivertikulose sowie eine geringgradige sekundäre Atrophie des Epithels im Rahmen der bakteriellen Überwucherung zu nennen. Ähnliche Erkrankungsfälle sind in der Literatur nur als Einzelfälle beschrieben, die ohnehin seltene Divertikulose des Dünndarmes manifestiert sich zumeist im Rahmen eines akuten Krankheitsbildes.